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Wallander 05 - Die falsche Fährte

Wallander 05 - Die falsche Fährte

Titel: Wallander 05 - Die falsche Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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hielten, faßte er kurz zusammen, was am Tag zuvor geschehen war.
    »Als ich ihr die Nachricht vom Tod Björn Fredmans überbrachte, nahm sie es mit Fassung auf. Ich merkte es nicht selbst, aber die Kollegin, die dabei war, behauptete, daß sie nach Schnaps roch. Die Wohnung war ungepflegt und ziemlich schäbig. Der kleinste Junge ist erst vier. Er kann ja kaum darauf reagieren, daß der Vater, den er fast nie gesehen hat, nicht mehr da ist. Der größere Sohn schien es aber zu begreifen. Die ältere Tochter war nicht zu Hause.«
    »Wie heißt sie?« fragte Wallander.
    »Die Tochter?«
    »Die Frau. Die geschiedene Frau.«
    »Anette Fredman.«
    »Hat sie eine Arbeit?«
    »Nicht soweit ich weiß.«
    »Und wovon lebt sie?«
    »Keine Ahnung. Aber ich bezweifle, daß Björn Fredman seiner Familie gegenüber besonders großzügig war. Der Typ schien er mir nicht zu sein.«
    Wallander hatte keine Fragen mehr. Sie stiegen aus dem Wagen, traten ins Haus und nahmen den Aufzug in den dritten |262| Stock. Auf dem Boden des Aufzugs lagen die Scherben einer zerschlagenen Flasche. Wallander wechselte einen Blick mit Ann-Britt Höglund und schüttelte den Kopf. Forsfält klingelte. Erst nach einer Minute wurde die Tür geöffnet. Die Frau, die aufmachte, war sehr dünn und blaß. Ihre schwarze Kleidung verstärkte diesen Eindruck noch. Sie blickte mit erschrockenen Augen auf die zwei Gesichter, die sie noch nicht kannte. Als sie im Flur standen und ablegten, bemerkte Wallander, wie jemand hastig durch die Türöffnung zum Wohnungsinneren blickte und wieder verschwand. Es mußte der Sohn oder die Tochter sein, dachte Wallander. Forsfält stellte Ann-Britt Höglund und Wallander vor. Er tat das sorgsam und mit großer Freundlichkeit und ohne jedes Anzeichen von Eile. Wallander dachte, daß er von Forsfält vielleicht ebensoviel zu lernen hatte wie seinerzeit von Rydberg. Sie bat sie ins Wohnzimmer. Sie mußte geputzt haben. Von der Verwahrlosung, die Forsfält am Tag zuvor aufgefallen war, konnte Wallander keine Spur entdecken. Im Wohnzimmer stand eine Sitzgruppe, die fast unbenutzt schien. Es gab einen Plattenspieler, ein Videogerät und einen Fernseher von Bang & Olufsen, einer Marke, mit der Wallander oft geliebäugelt, die er sich aber nie hatte leisten können. Sie hatte für Kaffee gedeckt. Wallander lauschte. Es sollte noch ein Vierjähriger dasein. Kinder in diesem Alter waren selten lautlos. Sie setzten sich um den Tisch.
    »Ich möchte Ihnen zuerst mein Beileid aussprechen«, sagte Wallander und versuchte, ebenso freundlich zu klingen wie Forsfält.
    »Danke«, antwortete sie mit einer Stimme, die so leise und brüchig klang, als könne sie jeden Augenblick versagen.
    »Leider muß ich Ihnen ein paar Fragen stellen, auch wenn ich lieber damit warten würde«, begann Wallander.
    Sie nickte schweigend. Im selben Augenblick öffnete sich eine der Türen, die direkt vom Wohnzimmer abgingen, und ein kräftig gebauter Junge von etwa vierzehn Jahren kam herein. Er hatte ein offenes und freundliches Gesicht, aber wachsame Augen.
    »Das ist Stefan, mein Sohn.«
    Der Junge war sehr gut erzogen, fiel Wallander auf. Er ging |263| herum und gab ihnen allen die Hand. Dann setzte er sich neben seine Mutter aufs Sofa.
    »Ich möchte gern, daß er dabei ist«, sagte sie.
    »Ja, natürlich«, erwiderte Wallander. »Ich möchte auch dir sagen, wie leid mir tut, was mit deinem Vater geschehen ist.«
    »Wir haben uns nicht oft gesehen«, sagte der Junge. »Trotzdem danke.«
    Wallander bekam sogleich einen positiven Eindruck von ihm. Er wirkte ungewöhnlich reif für sein Alter. Es mußte damit zusammenhängen, daß er das Vakuum nach dem Weggang des Vaters hatte ausfüllen müssen, vermutete Wallander.
    »Wenn ich richtig verstanden habe, haben Sie noch einen Jungen«, fuhr er fort.
    »Er ist bei einer Freundin und spielt mit ihrem Sohn«, antwortete Anette Fredman. »Ich dachte, es wäre hier ruhiger ohne ihn. Er heißt Jens.«
    Wallander nickte Ann-Britt Höglund zu, die notierte.
    »Außerdem gibt es noch eine ältere Schwester?«
    »Sie heißt Louise.«
    »Aber sie ist nicht zu Hause?«
    »Sie ist ein paar Tage verreist, um sich zu erholen.«
    Das letzte hatte der Junge gesagt. Er hatte für seine Mutter geantwortet, als wolle er ihr eine allzu schwere Last abnehmen. Seine Antwort war ruhig und freundlich. Dennoch hatte Wallander das Gefühl, daß irgend etwas mit der Schwester nicht stimmte. Vielleicht war die Antwort ein wenig zu prompt

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