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Wallander 05 - Die falsche Fährte

Wallander 05 - Die falsche Fährte

Titel: Wallander 05 - Die falsche Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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miteinander.

|255| 22
    Im diesigen Sonnenlicht war schwach die Silhouette von Kopenhagen zu erkennen.
    Wallander fragte sich, ob er dort wirklich in zehn Tagen Baiba abholen würde, oder ob der Täter, den sie suchten und von dem sie jetzt möglicherweise noch weniger wußten als zuvor, ihn zwingen würde, seinen Urlaub zu verschieben.
    Daran dachte er, als er vor dem Fährterminal stand und wartete. Es war der Morgen des Tages danach, des 30.   Juni. Wallander hatte bereits am Abend beschlossen, Svedberg gegen Ann-Britt Höglund auszutauschen, wenn er nach Malmö führe, um mit Björn Fredmans Familie zu sprechen. Als er sie zu Hause anrief, fragte sie, ob sie so früh fahren könnten, daß sie unterwegs noch etwas erledigen könne, bevor sie sich um halb zehn mit Forsfält trafen. Svedberg hatte sich keineswegs auf die Zehen getreten gefühlt, als Wallander ihm sagte, er brauche nicht mit nach Malmö zu fahren. Seine Erleichterung darüber, Ystad nicht an zwei Tagen hintereinander verlassen zu müssen, war unverkennbar. Während Ann-Britt Höglund jetzt ihre Erledigung im Terminal machte, schlenderte Wallander an der Pier entlang und blickte über den Sund nach Kopenhagen. Ein Tragflächenboot – er meinte, am Rumpf den Namen
Löparen
zu erkennen – verließ soeben das Hafenbecken. Es war warm. Er zog sich die Jacke aus und warf sie über die Schulter. Er gähnte.
    Am Abend zuvor, nach ihrer Rückkehr aus Malmö, hatte er eine eilig einberufene Besprechung mit denjenigen Kollegen der Ermittlungsgruppe gehabt, die zu diesem Zeitpunkt noch im Präsidium waren. Außerdem hatte er mit Hanssons Hilfe in der Anmeldung eine improvisierte Pressekonferenz abgehalten. Bei der Sitzung unmittelbar vorher war auch Ekholm anwesend gewesen. Er war immer noch damit beschäftigt, ein vertieftes psychologisches |256| Profil des Täters zu erstellen, in das er die ausgestochenen oder verätzten Augen einfügen, ihnen eine plausible Erklärung geben und sie damit zu einem wichtigen Anhaltspunkt machen konnte. Sie hatten sich jedoch geeinigt, der Presse schon jetzt mitzuteilen, daß sie mit Sicherheit nach einem Mann suchten, der kaum als allgemeingefährlich angesehen werden konnte, der jedoch für die Opfer, die er sich ausgesucht hatte, höchst gefährlich war. Es herrschten geteilte Meinungen darüber, ob dieser Schachzug klug sei. Aber Wallander hatte mit Nachdruck auf die Möglichkeit hingewiesen, daß ein potentielles Opfer sich selbst erkennen und aus reinem Selbsterhaltungstrieb mit der Polizei Kontakt aufnehmen könnte. Die Journalisten warfen sich gierig auf seine Äußerung. Mit wachsendem Unbehagen mußte Wallander einsehen, den Zeitungen die beste aller Nachrichten genau in dem kritischen Augenblick geliefert zu haben, in dem das ganze Land im Begriff war, innezuhalten und sich in der Festung der kollektiven Sommerferien zu verbarrikadieren. Nach der Besprechung und der Pressekonferenz war er völlig erschöpft.
    Dennoch hatte er sich Zeit genommen, zusammen mit Martinsson die lange Telexmitteilung von Interpol durchzugehen. Das Mädchen in Salomonssons Rapsfeld war irgendwann im Dezember vergangenen Jahres aus Santiago de los Treinta Caballeros verschwunden. Ihr Vater, Pedro Santana, dessen Beruf mit Landarbeiter angegeben wurde, hatte sie am 1.   Januar bei der Polizei als vermißt gemeldet. Dolores Maria, die zu diesem Zeitpunkt noch sechzehn Jahre alt, aber am 18.   Februar siebzehn geworden war – diese Information bedrückte Wallander besonders   –, hatte sich in Santiago aufgehalten, um eine Arbeit als Haushaltshilfe zu suchen. Sie wohnte bei einem entfernten Verwandten, einem Cousin des Vaters, als sie plötzlich verschwand. Bis dahin hatte sie zusammen mit ihrem Vater in einem kleinen Dorf siebzig Kilometer von der Hauptstadt entfernt gelebt. Der dominikanischen Polizei schien, dem mageren Ermittlungsmaterial nach zu urteilen, ihr Verschwinden kein Anlaß zu besonders aufwendigen Nachforschungen gewesen zu sein. Doch der hartnäckige Vater hatte sie immer wieder angetrieben, die Suche nach seiner Tochter nicht zu vergessen. Es war ihm gelungen, einen Journalisten |257| für den Fall zu interessieren, und schließlich hatte die Polizei mitgeteilt, seine Tochter habe vermutlich das Land verlassen, um ihr Glück anderswo zu suchen.
    Damit endete der Bericht. Interpol hatte den knappen Kommentar zugefügt, es lägen keine Hinweise darauf vor, daß Dolores Maria Santana in einem der Länder, die der

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