Wallander 05 - Die falsche Fährte
nicht das Geld haben, dafür zu bezahlen.«
»Ich frage mich, wieviel Diebesgut mit jeder Fähre ausgeführt wird«, sagte sie nachdenklich.
»Es ist wohl besser, wenn wir es nicht wissen«, antwortete Wallander.
Sie holten sich beide Kaffee. Ann-Britt Höglund würde schon in dieser Woche ihren Urlaub antreten. Wallander wußte, daß sie ihn in Ystad verbringen würde, weil ihr Mann, der als Monteur ständig in der ganzen Welt herumreiste, sich in Saudi-Arabien befand.
»Was machst du selbst?« fragte sie, als sie angefangen hatten, über die bevorstehenden Ferien zu sprechen.
»Ich fahre nach Skagen«, sagte Wallander.
»Mit der Frau aus Riga?« fragte Ann-Britt Höglund mit einem Lächeln.
Wallander legte erstaunt die Stirn in Falten. »Wieso weißt du etwas von ihr?«
»Das tun doch alle. Ist dir das nicht klar? Man könnte sagen, daß es sich um das Resultat einer ständigen internen Ermittlung unter uns Polizisten handelt.«
Wallander war wirklich überrascht. Er hatte nie jemandem von Baiba erzählt, die er bei einer Ermittlung vor einigen Jahren kennengelernt hatte. Sie war die Witwe eines ermordeten lettischen Polizisten. Weihnachten vor nun bald anderthalb Jahren war sie in Ystad gewesen. Zu Ostern hatte Wallander sie in Riga besucht. Aber er hatte nie von ihr gesprochen. Er hatte sie keinem seiner |34| Kollegen vorgestellt. Jetzt fragte er sich plötzlich, warum er es nicht getan hatte. Auch wenn ihr Verhältnis immer noch auf tönernen Füßen stand, hatte sie ihn aus der Melancholie herausgeholt, die sein Leben nach der Scheidung von Mona beherrscht hatte. »Ja«, sagte er. »Wir fahren zusammen nach Dänemark. Für den Rest des Sommers werde ich mich um meinen Vater kümmern.«
»Und Linda?«
»Sie hat vor einer Woche angerufen und gesagt, sie wolle einen Theaterkursus in Visby besuchen.«
»Ich dachte, sie wollte Polsterei lernen?«
»Das habe ich auch geglaubt. Aber jetzt hat sie sich in den Kopf gesetzt, zusammen mit einer Freundin eine Art Theateraufführung zu machen.«
»Das klingt doch spannend?«
Wallander nickte zweifelnd. »Ich hoffe, sie kommt im Juli her«, sagte er. »Ich habe sie lange nicht gesehen.«
Sie trennten sich vor Wallanders Tür. »Komm und besuch mich im Sommer«, sagte sie. »Mit oder ohne Frau aus Riga. Mit oder ohne Tochter.«
»Sie heißt Baiba«, sagte Wallander. Er versprach, sie zu besuchen.
Anschließend saß Wallander eine gute Stunde über die Papiere auf seinem Tisch gebeugt. Vergeblich rief er zweimal bei der Polizei in Göteborg an, um mit einem Kommissar zu sprechen, der dort oben an der gleichen Ermittlung arbeitete. Um Viertel vor sechs klappte er die Mappe zu und stand auf. Er hatte beschlossen, an diesem Abend auswärts zu essen. Er drückte seinen Bauch und stellte fest, daß er weiter abnahm. Baiba hatte darüber geklagt, daß er zu dick sei. Danach hatte er keine Probleme damit gehabt, weniger zu essen. Ein paarmal hatte er sich auch in einen Trainingsanzug gequält und gejoggt, obgleich er es langweilig fand.
Er zog die Jacke an und nahm sich vor, am selben Abend einen Brief an Baiba zu schreiben. Als er den Raum verlassen wollte, klingelte das Telefon. Er zögerte einen Moment lang, doch dann ging er zum Schreibtisch und nahm den Hörer ab.
Es war Martinsson. »Gute Rede, die du gehalten hast«, sagte er. »Björk wirkte aufrichtig gerührt.«
|35| »Das hast du schon gesagt«, entgegnete Wallander. »Was willst du? Ich bin auf dem Weg nach Hause.«
»Ich habe gerade einen Anruf bekommen, der ein bißchen sonderbar war. Ich wollte mal hören, was du dazu meinst.«
Wallander wartete ungeduldig auf die Fortsetzung.
»Ein Bauer von einem Hof in der Nähe von Marsvinsholm hat angerufen. Er behauptete, eine Frau führe sich sonderbar in seinem Rapsfeld auf.«
»Ist das alles?«
»Ja.«
»Eine Frau, die sich sonderbar in einem Rapsfeld aufführt? Was hat sie denn gemacht?«
»Wenn ich ihn richtig verstanden habe, hat sie nichts gemacht. Er fand es komisch, daß sie sich überhaupt draußen im Raps aufhielt.«
Wallander brauchte nicht nachzudenken, bevor er antwortete. »Schick eine Streife hin. Das ist deren Sache.«
»Das Problem ist, daß im Moment alle im Einsatz sind. Wir hatten fast gleichzeitig zwei Verkehrsunfälle. Einen bei der Einfahrt nach Svarte. Den anderen vor dem Continental.«
»Ernste?«
»Keine schwereren Personenschäden. Aber es ist offenbar ein schreckliches Durcheinander.«
»Sie können doch nach
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