Wallander 05 - Die falsche Fährte
wofür sie dankbar sein mußten? Am liebsten hätte Wallander über seine Besorgnis und seine Ängste angesichts anscheinend planloser Umorganisierungen und Kürzungen gesprochen, die die Polizei in immer größerem Umfang betrafen.
|29| Er hatte das Präsidium verlassen, um in Ruhe darüber nachzudenken, was er sagen wollte. Am Tag zuvor hatte er bis tief in die Nacht an seinem Küchentisch gesessen, ohne daß ihm eine Erleuchtung gekommen war. Doch jetzt mußte er sich etwas einfallen lassen. In knapp drei Stunden würden sie zusammenkommen und Björk, der am folgenden Tag in Malmö als Chef des Ausländerkommissariats der Provinzverwaltung anfangen würde, ihr Geschenk überreichen. Er stand auf und ging die Pier entlang zum Hafencafé. Die Fischkutter wiegten sich in ihrer Vertäuung. Wallander erinnerte sich zerstreut daran, wie er vor sieben Jahren dabeigewesen war, als eine Leiche aus dem Hafenbecken gefischt wurde. Doch er wies das Erinnerungsbild von sich. Die Rede an Björk war im Augenblick wichtiger. Eine der Kellnerinnen lieh ihm einen Bleistift. Er setzte sich mit einer Tasse Kaffee an einen Tisch im Freien und zwang sich, ein paar Stichworte für seine Rede an Björk niederzuschreiben. Um ein Uhr hatte er eine halbe Seite zusammen. Mürrisch betrachtete er das Resultat. Aber er wußte, daß er es nicht besser konnte. Er winkte der Kellnerin, die kam und ihm nachschenkte.
»Der Sommer läßt auf sich warten«, sagte er.
»Wenn er überhaupt noch kommt«, antwortete die Kellnerin.
Abgesehen von der unmöglichen Rede für Björk war Wallander in guter Stimmung. In ein paar Wochen würde er Urlaub machen. Es gab vieles, worüber er sich freuen konnte. Der Winter war lang und nervenaufreibend gewesen. Er spürte, daß er wirklich Erholung nötig hatte.
Sie versammelten sich um drei in der Kantine des Polizeipräsidiums, und Wallander hielt seine Rede für Björk. Danach überreichte Svedberg eine neue Angelrute, Ann-Britt Höglund einen Blumenstrauß. Wallander war es gelungen, seine dürftige Rede dadurch aufzubessern, daß er, einer Augenblickseingebung folgend, einige Episoden über gemeinsame Erlebnisse mit Björk erzählte. Es weckte große Heiterkeit, als er daran erinnerte, daß sie einmal in eine Jauchegrube gefallen waren, als ein Baugerüst zusammenbrach. Nachher tranken sie Kaffee und aßen Torte. Björk hatte in |30| seiner Dankesrede seiner Nachfolgerin Glück gewünscht. Sie hieß Lisa Holgersson und kam aus einem der größeren Polizeidistrikte in Småland. Sie würde nach der Sommerpause ihren Dienst antreten. Bis auf weiteres war Hansson stellvertretender Polizeipräsident in Ystad. Als die Zeremonie vorbei und Wallander in sein Zimmer zurückgekehrt war, klopfte Martinsson an seine halboffene Tür. »Das war eine schöne Rede«, sagte er. »Ich wußte gar nicht, daß du so etwas kannst.«
»Das kann ich auch nicht«, erwiderte Wallander. »Es war eine sehr schlechte Rede. Das weißt du genausogut wie ich.«
Martinsson hatte sich vorsichtig in Wallanders wackeligen Besucherstuhl gesetzt. »Ich frage mich, wie es mit einem weiblichen Chef gehen wird«, sagte er.
»Warum sollte es nicht gutgehen?« antwortete Wallander. »Die ganzen Kürzungen sind viel schlimmer.«
»Genau deshalb bin ich gekommen. Es gehen Gerüchte um, daß die Dienstbereitschaft in Ystad in den Nächten auf Sonntag und Montag gestrichen werden soll.«
Wallander betrachtete Martinsson ungläubig. »Das geht natürlich nicht«, sagte er. »Wer soll denn dann die Arrestanten bewachen, die wir vielleicht haben?«
»Das Gerücht sagt, daß diese Aufgabe privaten Wachgesellschaften übertragen werden soll.«
»Wachgesellschaften?«
»Das habe ich gehört.«
Wallander schüttelte den Kopf. Martinsson stand auf.
»Ich dachte, du solltest davon wissen«, sagte er. »Begreifst du, was mit der Polizei passiert?«
»Nein«, sagte Wallander. »Und das kannst du als eine ebenso aufrichtige wie erschöpfende Antwort ansehen.«
Martinsson zögerte noch, den Raum zu verlassen.
»Ist noch etwas?«
Martinsson zog ein Stück Papier aus der Tasche. »Wie du weißt, ist Fußball-Weltmeisterschaft. 2:2 gegen Kamerun. Du hattest 5:0 für Kamerun getippt. Damit bist du letzter.«
»Wie kann man denn letzter werden? Entweder tippt man richtig oder falsch!«
|31| »Wir führen eine Statistik, die zeigt, wie wir im Verhältnis zueinander stehen.«
»Herrgott! Und wozu soll das gut sein?«
»Einer der Ordnungspolizisten hat
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