Wallander 05 - Die falsche Fährte
als einziger 2:2 getippt«, sagte Martinsson und überhörte Wallanders Frage. »Jetzt geht es um das nächste Spiel. Schweden gegen Rußland.«
Wallander war gänzlich uninteressiert an Fußball. Dagegen war er verschiedentlich zu Handballspielen der Mannschaft von Ystad gegangen, die zeitweilig zu den besten in Schweden gehörte. In der letzten Zeit hatte er doch nicht umhin gekonnt zu bemerken, wie die ganze Nation ihre gesammelte Aufmerksamkeit auf eine einzige Sache richtete: die Fußball-Weltmeisterschaft. Er konnte weder den Fernseher einschalten noch eine Zeitung aufschlagen, ohne auf endlose Spekulationen über das mögliche Abschneiden der schwedischen Mannschaft zu stoßen. Zugleich hatte er eingesehen, daß er sich dem internen Tippwettbewerb der Polizei nicht einfach entziehen konnte. Das würde man als Arroganz auslegen. Er zog das Portemonnaie aus der Gesäßtasche.
»Was kostet es?«
»Einhundert Kronen. Wie beim letzten Mal.«
Er reichte Martinsson den Schein, und Martinsson machte ein Kreuz auf seiner Liste.
»Und jetzt soll ich das Ergebnis tippen?«
»Schweden gegen Rußland. Wie geht es aus?«
»4:4.«
»So viele Tore fallen im Fußball sehr selten«, sagte Martinsson verwundert. »Das ist eher ein Eishockey-Resultat.«
»Dann sagen wir, 3:1 für Rußland. Geht das?«
Martinsson schrieb. »Wir können vielleicht das Brasilienspiel gleich mitnehmen«, fuhr er fort.
»3:0 für Brasilien«, sagte Wallander schnell.
»Du hast keine besonders hohen Erwartungen an Schweden«, sagte Martinsson.
»Jedenfalls nicht im Fußball«, sagte Wallander und gab ihm noch einen Hunderter.
Als Martinsson gegangen war, dachte Wallander nach über das, was er gehört hatte. Doch dann wischte er die Gedanken irritiert |32| beiseite. Er würde noch früh genug erfahren, was daran stimmte und was nicht. Es war halb fünf geworden. Wallander griff zu einer Aktenmappe mit dem Ermittlungsmaterial über die organisierte Ausfuhr gestohlener Autos in die früheren Oststaaten. Er beschäftigte sich bereits seit mehreren Monaten mit dieser Ermittlung. Bisher hatte die Polizei erst Teile der weitverzweigten Aktivitäten aufgedeckt, und er ahnte, daß die Ermittlung ihn noch viele Monate verfolgen würde. Während seines Urlaubs würde Svedberg die Verantwortung übernehmen, und Wallander vermutete stark, daß in seiner Abwesenheit sehr wenig geschehen würde.
Ann-Britt Höglund klopfte und kam herein. Sie hatte eine schwarze Baseballmütze auf dem Kopf. »Wie sehe ich aus?« fragte sie.
»Wie eine Touristin«, antwortete Wallander.
»So sollen die neuen Uniformmützen der Polizei sein. Du mußt dir noch das Wort Polizei oberhalb des Schirms vorstellen. Ich habe Bilder gesehen.«
»So eine kommt mir nie auf den Kopf«, sagte Wallander. »Man sollte vielleicht froh sein, daß man nicht mehr zur Ordnungspolizei gehört.«
»Eines Tages entdecken wir vielleicht, daß Björk ein ausgezeichneter Chef war«, sagte sie. »Ich fand gut, was du gesagt hast.«
»Ich weiß, daß es keine gute Rede war«, sagte Wallander und merkte, daß seine Irritation wuchs. »Aber ihr seid selbst schuld, weil ihr so wenig Urteilsvermögen hattet, mich auszuwählen.«
Ann-Britt Höglund stand am Fenster und blickte hinaus. Wallander dachte, daß es ihr in sehr kurzer Zeit gelungen war, dem Ruf gerecht zu werden, der ihr vorausgeeilt war, als sie im Jahr zuvor nach Ystad kam. Auf der Polizeihochschule hatte sie großartige Anlagen für die polizeiliche Arbeit offenbart, und die hatten sich anschließend weiterentwickelt. Zu einem Teil hatte sie das Vakuum ausfüllen können, das Wallander empfunden hatte, nachdem Rydberg vor einigen Jahren gestorben war. Rydberg war der Polizeibeamte, von dem Wallander das meiste von dem, was er konnte, gelernt hatte. Manchmal dachte er, daß es jetzt seine Aufgabe war, Ann-Britt Höglund auf die gleiche Art und Weise anzuleiten.
|33| »Was machen die Autos?« fragte sie.
»Sie werden gestohlen«, antwortete Wallander. »Diese Organisation scheint unglaublich verzweigt zu sein.«
»Meinst du, wir können sie hochnehmen?«
»Wir kriegen sie«, erwiderte Wallander. »Früher oder später. Dann gibt es ein paar Monate Pause. Und danach fängt es wieder von vorne an.«
»Aber es hört nie auf?«
»Es hört nie auf. Ystad liegt, wo es liegt. Zweihundert Kilometer von hier, jenseits der Ostsee, gibt es eine unendliche Anzahl von Menschen, die haben wollen, was wir haben. Das Problem ist nur, daß sie
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