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Wallander 05 - Die falsche Fährte

Wallander 05 - Die falsche Fährte

Titel: Wallander 05 - Die falsche Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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entglitt ihm der Sommertag. Er begann, alles, was geschehen war, von neuem zu durchdenken. Aus irgendeinem Grund, den er selbst nicht ganz verstand, begann sein Gedankengang bei dem Mädchen, das sich in Salomonssons Rapsfeld verbrannt hatte. Sie hatte mit den anderen Fällen nichts zu tun, es war Selbstmord, aus einem noch unbekannten Grund, und niemand hatte ihr eine Axt ins Rückgrat oder in den Kopf geschlagen. Dennoch fing Wallander bei ihr an. Das tat er jedesmal, wenn er in Gedanken den bisherigen Verlauf der Ermittlung rekapitulierte. Doch gerade an diesem Sonntag, hier im Hamnkrog in Simrishamn, begann etwas in seinem Unterbewußtsein zu rumoren. Er erinnerte sich unklar, daß jemand etwas im Zusammenhang mit dem toten Mädchen im Rapsfeld gesagt hatte. Er blieb mit der Gabel in der Hand sitzen und versuchte, den Gedanken an die Oberfläche zu holen. Wer hatte etwas gesagt? Was hatte er oder sie gesagt? Warum war es wichtig? Nach einer Weile gab er auf. Es würde ihm sicher früher oder später wieder einfallen. Sein Unterbewußtsein stellte seine Geduld stets auf eine harte Probe. Wie um zu beweisen, daß er wirklich über diese Geduld verfügte, bestellte er ausnahmsweise einen Nachtisch, bevor er Kaffee trank. Er konnte auch mit Genugtuung konstatieren, daß die Sommerhose, die er zum erstenmal in diesem Jahr trug, bedeutend weniger spannte als im Jahr zuvor. Er aß Apfelstrudel und bestellte anschließend den Kaffee. Während der folgenden Stunde rekapitulierte er die gesamte Ermittlung ein weiteres Mal. Er versuchte, seine Gedanken zu lesen, wie ein kritischer Schauspieler zum erstenmal seinen Text liest. Wo waren die Fallen und die Hohlräume? Wo waren die Gedanken unklar? Wo habe ich Tatsachen allzu lässig mit Umständen kombiniert und durch eine Vereinfachung eine falsche Schlußfolgerung gezogen? In Gedanken wanderte er noch einmal durch Wetterstedts Haus, durch den Garten, hinunter zum Strand, und er hatte Wetterstedt vor sich, er war selbst der Täter, der ihm wie ein lautloser Schatten folgte. Er kletterte auf das Garagendach und las ein zerfleddertes
Superman -
Heft, während er darauf wartete, daß Wetterstedt sich an seinen Schreibtisch |321| setzte und vielleicht in einer Sammlung altertümlicher pornografischer Fotos blätterte. Dann spielte er das gleiche mit Carlman durch, stellte ein Motorrad hinter der Baracke des Straßenbauamts ab und ging den Feldweg zum Hügel hinauf, von wo er Carlmans Hof überblicken konnte. Dann und wann machte er sich Notizen. Das Garagendach. Was hofft er zu sehen? Carlmans Hügel. Fernglas? Methodisch ging er sämtliche Ereignisse durch, taub und blind für alles, was um ihn her geschah. Er machte erneut einen Besuch bei Hugo Sandin, führte das Gespräch mit Sara Björklund noch einmal und notierte sich, daß er jetzt noch einmal Kontakt zu ihr aufnehmen würde. Vielleicht würden die gleichen Fragen andere, durchdachtere Antworten ergeben? Und worin würde der Unterschied bestehen? Er dachte lange an Carlmans Tochter, die ihn ins Gesicht geschlagen hatte, er dachte an Louise Fredman. Und an ihren Bruder, der so wohlerzogen war. Die Rückschau beflügelte ihn. Er war ausgeruht, seine Müdigkeit war verschwunden, die Gedanken glitten leicht dahin, von inneren Aufwinden getragen. Als er schließlich den Kellner rief und seine Rechnung bezahlte, waren fast zwei Stunden vergangen. Die Zeit lag begraben in der Spur, die seine Rückschau gezogen hatte. Er warf einen Blick auf die Notizen, die er auf seinen Block gekritzelt hatte, als sei es eine magische Inschrift, und verließ den Hamnkrog. Er setzte sich auf eine der Parkbänke vor dem Hotel Svea und schaute aufs Meer hinaus. Der schwache Wind war lau. Die Besatzung eines dänischen Segelboots kämpfte einen hoffnungslosen Kampf mit ihrem launischen Spinnaker. Wallander las noch einmal seine Notizen durch. Dann legte er den Block unter einen Oberschenkel.
    Der Berührungspunkt schien sich zu verlagern. Von den Eltern zu den Kindern. Er dachte an Carlmans Tochter und an Louise Fredman. War es wirklich reiner Zufall, daß eine von ihnen nach dem Tod ihres Vaters einen Selbstmordversuch unternahm und die andere sich seit langer Zeit in einer psychiatrischen Klinik befand? Es fiel ihm auf einmal schwer, das zu glauben. Wetterstedt war die Ausnahme. Da waren nur zwei erwachsene Kinder. Wallander erinnerte sich an etwas, das Rydberg einmal gesagt hatte.
Was zuerst geschieht, muß nicht der Anfang sein.
Konnte das in

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