Wallander 05 - Die falsche Fährte
er mit einem wütenden Martinsson zusammen, der von einem totalen Urlaubschaos zu erzählen wußte, weil so viele Kollegen wegen der langwierigen Ermittlung ihren Urlaub auf unbestimmte Zeit verschieben mußten.
»Es kommt noch so weit, daß ich erst im September Urlaub nehmen kann«, knurrte er bissig. »Wer zum Teufel will dann in Urlaub gehen?«
»Ich«, sagte Wallander. »Im September fahre ich mit meinem Vater nach Italien.«
Als Wallander in sein Zimmer kam, sah er auf dem Kalender, daß es schon Mittwoch, der 6. Juli war. Am Samstagmorgen, in drei Tagen, sollte er in Kastrup sein und Baiba abholen.
Erst jetzt gestand er sich ernstlich ein, ihre Ferienreise absagen, zumindest aber auf unbestimmte Zeit verschieben zu müssen. In der Hektik der vergangenen Wochen hatte er den Gedanken daran |375| von sich geschoben. Jetzt konnte es so nicht weitergehen. Er mußte die Reise- und Hotelbuchungen stornieren. Ihm graute bei dem Gedanken, wie Baiba reagieren würde. Er blieb sitzen und spürte, wie er Magenschmerzen bekam. Es muß eine Alternative geben, dachte er. Baiba kann herkommen. Vielleicht gelingt es uns sogar, den verfluchten Kerl zu fassen, der Menschen tötet und ihnen die Kopfhaut abschneidet.
Er fürchtete sich vor ihrer Enttäuschung. Obwohl sie früher mit einem Polizisten verheiratet gewesen war, hatte Wallander den Eindruck, sie sei der Meinung, in einem Land wie Schweden wäre alles anders. Doch er konnte sie nicht länger darüber im unklaren lassen, daß sie nicht wie geplant nach Skagen fahren würden. Er sollte den Hörer abnehmen und auf der Stelle in Riga anrufen. Aber er schob das unangenehme Gespräch weiter vor sich her. Er war noch nicht bereit. Schließlich zog er einen Kollegblock heran und notierte die Abbestellungen und Umbuchungen, die vorgenommen werden mußten.
Dann wurde er wieder Polizist.
Er durchdachte noch einmal alles, was ihm am Abend zuvor wie eine Offenbarung erschienen war, als er auf der Bank der Seenotrettung saß. Er zog die Seiten hervor, auf denen er seine Zusammenfassung niedergeschrieben hatte, legte sie vor sich auf den Tisch und las sie durch. Er fand es noch immer plausibel. Er nahm den Telefonhörer ab und bat Ebba, ihn mit Waldemar Sjösten in Helsingborg zu verbinden. Wenige Minuten später rief sie zurück.
»Er scheint seine frühen Morgenstunden damit zu verbringen, an einem Boot herumzukratzen«, sagte sie. »Aber er war schon unterwegs. Er ruft dich sicher in den nächsten zehn Minuten an.«
Es dauerte fast eine Viertelstunde, bis Sjösten sich meldete. Wallander hörte sich an, was er über den Fortgang der Ermittlung zu berichten hatte. Sie hatten zwei Zeugen ausfindig gemacht, ein älteres Ehepaar, das behauptete, an dem Abend, bevor Liljegren ermordet wurde, ein Motorrad in der Aschebergsgatan gesehen zu haben.
»Untersucht das genau«, sagte Wallander. »Es kann sehr wichtig sein.«
|376| »Ich habe mir vorgenommen, das selbst zu tun.«
Wallander beugte sich über den Tisch nach vorn, als müsse er sich abstoßen, um seine nächste Frage zu stellen. »Ich möchte dich um etwas bitten«, sagte er. »Eine Sache, der höchste Priorität zukommt. Ich möchte, daß du eine der Frauen ausfindig machst, die an den Festen in Liljegrens Haus teilgenommen haben.«
»Warum das?«
»Ich glaube, es ist wichtig. Ich muß mir ein Bild davon machen, wer bei diesen Festen anwesend war. Sozusagen im nachhinein teilnehmen. Du verstehst es schon, wenn du das Ermittlungsmaterial durchsiehst.«
Wallander wußte sehr wohl, daß das Ermittlungsmaterial über die drei anderen Morde keine Erklärung für seine Frage bereithielt. Doch im Augenblick wollte er sich nicht auf eine Diskussion über diesen Punkt einlassen. Er mußte noch eine Zeitlang allein jagen.
»Du willst also, daß ich eine Hure herschaffe«, sagte Sjösten.
»Ja, wenn es Huren waren, die dabeigewesen sind.«
»Das munkelt man.«
»Ich möchte, daß du so schnell wie möglich von dir hören läßt. Ich komme dann nach Helsingborg.«
»Wenn ich nun eine finde, soll ich sie festnehmen?«
»Festnehmen wegen was?«
»Das weiß ich doch nicht.«
»Es handelt sich um ein Gespräch. Nichts anderes. Im Gegenteil, du sollst ihr klarmachen, daß sie ganz unbesorgt sein kann. Mir nützt keine, die Angst hat und nur das sagt, wovon sie glaubt, ich wollte es hören.«
»Ich werde es versuchen«, sagte Sjösten. »Interessanter Auftrag jetzt im Hochsommer.«
Sie legten auf. Wallander wandte sich
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