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Wallander 05 - Die falsche Fährte

Wallander 05 - Die falsche Fährte

Titel: Wallander 05 - Die falsche Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Svedberg konnte ihnen mitteilen, daß es jetzt möglich war, mit Carlmans Tochter zu sprechen, die sich nach ihrem Selbstmordversuch erholt hatte. Sie beschlossen, daß Wallander und Ann-Britt Höglund sie am nächsten Morgen im Krankenhaus besuchen sollten. Um sechs Uhr rief Wallander seinen Vater an. Gertrud nahm das Gespräch entgegen. Sein Vater wirkte wieder völlig normal. Er schien den Vorfall vor einigen Tagen vollständig vergessen zu haben. Wallander rief auch zu Hause an. Niemand nahm ab. Linda war also nicht da. Als er das Präsidium verließ, fragte er Ebba, ob sie noch etwas von seinen Schlüsseln gehört habe. Nichts. Er fuhr zum Hafen und machte einen Spaziergang auf der Pier. Dann setzte er sich ins Hafencafé und trank ein Bier. Plötzlich merkte er, daß er die Menschen, die ein und aus gingen, beobachtete. Unangenehm berührt stand er auf und ging auf die Pier hinaus zu der Bank neben der roten Baracke der Seenotrettung.
    |370| Der Sommerabend war warm und windstill. Auf einem Boot spielte jemand Ziehharmonika. Jenseits der Pier lief eine der Polenfähren ein. Ohne sich dessen eigentlich ganz bewußt zu sein, erkannte er plötzlich einen Zusammenhang. Er saß ganz still und ließ seine Gedanken arbeiten. Er begann die Konturen eines Dramas zu erahnen, das schlimmer war als alles, was er sich je hatte vorstellen können. Es gab noch immer viele Lücken. Doch er meinte jetzt, sehen zu können, worauf sie ihre Nachforschungen konzentrieren mußten.
    Der Fehler lag nicht in der Ermittlungsstrategie, nach der sie sich bisher gerichtet hatten.
    Der Fehler lag in den Gedanken, die er sich gemacht, und in den Schlußfolgerungen, die er gezogen hatte.
    Er fuhr nach Hause, setzte sich an den Küchentisch und schrieb eine Zusammenfassung.
    Kurz vor Mitternacht kam Linda. Sie hatte in der Zeitung gelesen, was geschehen war.
    »Wer tut so etwas?« fragte sie. »Wie kann so ein Mensch beschaffen sein?«
    Wallander dachte nach, bevor er antwortete. »Wie du und ich«, sagte er dann. »Im großen und ganzen genau wie du und ich.«

|371| 31
    Wallander schrak aus dem Schlaf hoch.
    Er öffnete die Augen und blieb regungslos liegen. Das Licht der Sommernacht war noch grau. Jemand bewegte sich in der Wohnung. Er warf einen Blick zur Uhr auf dem Nachttisch. Viertel nach zwei. Die Angst kam augenblicklich. Linda war es bestimmt nicht. Wenn sie am Abend eingeschlafen war, rührte sie sich bis zum Morgen nicht aus dem Bett. Er hielt den Atem an und horchte. Das Geräusch war sehr leise.
    Jemand bewegte sich barfuß.
    Wallander richtete sich vorsichtig im Bett auf. Er sah sich nach etwas um, womit er sich verteidigen konnte. Seine Dienstwaffe lag eingeschlossen in seinem Schreibtisch im Polizeipräsidium. Im Schlafzimmer gab es nichts außer der hölzernen Rückenlehne eines kaputten Stuhls. Er machte sie vorsichtig los und lauschte wieder. Die Schritte schienen aus der Küche zu kommen. Er ließ den Morgenmantel liegen, weil der nur seine Bewegungsfreiheit einschränkte. Er verließ das Schlafzimmer und sah zum Wohnzimmer hinüber. Er ging an Lindas Tür vorbei. Sie war geschlossen. Sie schlief. Er hatte jetzt große Angst. Die Geräusche kamen aus der Küche. Er stand in der Türöffnung des Wohnzimmers und lauschte. Ekholm hatte also recht gehabt. Er bereitete sich darauf vor, jemandem entgegenzutreten, der sehr stark war. Die hölzerne Rückenlehne, die er in der Hand hielt, war keine große Hilfe. Ihm fiel ein, daß in einer Schublade unter dem Bücherregal Kopien einiger altertümlicher Schlagringe lagen. Er hatte das idiotische Zeug einmal bei einer Polizeilotterie gewonnen. Seine Fäuste würden ein besserer Schutz sein als die Holzlehne. Immer noch hörte er die Geräusche aus der Küche. Lautlos bewegte er sich über den Parkettboden und öffnete die Schublade. Die Schlagringe lagen unter seiner letzten Steuererklärung. Er zog einen davon über |372| die Knöchel der rechten Hand. Im selben Augenblick hörten die Geräusche in der Küche auf. Er drehte sich hastig um und hob die Fäuste.
    Linda stand in der Tür und sah ihn mit einer Mischung aus Angst und Verblüffung an. Er starrte zurück. »Was tust du?« fragte sie. »Was hast du da an der Hand?«
    »Ich dachte, es wäre ein Einbrecher in der Wohnung«, sagte er und nahm den Schlagring ab.
    Sie sah, wie aufgewühlt er war. »Das bin nur ich. Ich kann nicht schlafen.«
    »Aber deine Tür war zu.«
    »Dann habe ich sie wohl zugemacht. Ich wollte nicht, daß

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