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Wallander 05 - Die falsche Fährte

Wallander 05 - Die falsche Fährte

Titel: Wallander 05 - Die falsche Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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zunächst einmal nicht glauben. Ohne ihr das zu sagen. Aber ich weigere mich zu glauben, daß sie aus anderen Gründen die Gelegenheit ergriffen hat, für ein Doppelbegräbnis zu sorgen.«
    »Bei einem Nein sollte ich mich mit anderen Worten dafür interessieren, welche Gründe sie haben könnte, nicht die Wahrheit zu sagen?«
    »So ungefähr. Natürlich gibt es noch eine dritte Möglichkeit. Sie hat versucht, Selbstmord zu begehen, weil sie etwas über den Tod ihres Vaters wußte, mit dem sie nichts anderes anzufangen wußte, als es mit ins Grab zu nehmen.«
    »Kann sie den Mörder gesehen haben?«
    »Denkbar.«
    »Und sie will nicht, daß er entlarvt wird?«
    »Auch denkbar.«
    »Warum will sie das nicht?«
    »Es gibt wieder zwei Möglichkeiten. Entweder will sie ihn oder das Angedenken an ihren Vater schützen.«
    Sie seufzte bedrückt. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich das hinbekomme.«
    »Natürlich tust du das. Ich warte auf dich in der Cafeteria. Oder hier draußen. Nimm dir Zeit.«
    Wallander begleitete sie in die Anmeldung. Ihm kam plötzlich die Situation in den Sinn, als er vor ein paar Wochen an der gleichen Stelle gestanden und erfahren hatte, daß Salomonsson gestorben war. Damals hatte er noch nichts von dem geahnt, was ihnen bevorstand. Sie fragte bei der Anmeldung nach dem Weg und verschwand im Korridor. Wallander ging zur Cafeteria, überlegte es sich jedoch anders und kehrte zur Bank am Taxistand zurück. Mit einem Fuß versuchte er, einen kleinen Haufen Kies zusammenzuscharren, womit Ann-Britt Höglund begonnen hatte. Erneut |380| drehte und wendete er seine Gedanken vom Vorabend. Er wurde vom Piepen des Handys in seiner Jackentasche unterbrochen. Es war Hansson, dessen Stimme gehetzt klang. »Heute nachmittag kommen zwei Kollegen vom Reichskriminalamt in Sturup an. Ludwigsson und Hamrén. Kennst du die beiden?«
    »Nur dem Namen nach. Es sollen gute Leute sein. War Hamrén nicht an der Lösung des Falles mit dem Lasermann beteiligt?«
    »Kannst du sie abholen?«
    »Nein«, sagte Wallander nach kurzem Überlegen. »Ich fahre wahrscheinlich zurück nach Helsingborg.«
    »Davon hat Birgersson nichts erwähnt. Ich habe gerade mit ihm telefoniert.«
    »Die haben wahrscheinlich die gleichen internen Kommunikationsprobleme wie wir«, erklärte Wallander geduldig. »Ich finde, es wäre eine gute Geste, wenn du hinführest und sie abholtest.«
    »Geste von was denn?«
    »Respekt. Als ich vor ein paar Jahren in Riga war, wurde ich mit einer Limousine abgeholt. Russisch und alt. Aber immerhin. Es ist wichtig, sich willkommen und umsorgt zu fühlen.«
    »Gut«, meinte Hansson. »Dann machen wir es so. Wo bist du jetzt?«
    »Im Krankenhaus.«
    »Fehlt dir etwas?«
    »Nein. Carlmans Tochter. Hast du sie vergessen?«
    »Wenn ich ehrlich sein soll, ja.«
    »Solange wir nicht alle gleichzeitig dieselben Dinge vergessen, geht es ja noch«, sagte Wallander.
    Hinterher war ihm nicht klar, ob Hansson seinen Versuch, ironisch zu sein, überhaupt registriert hatte. Er legte das Telefon neben sich auf die Bank und betrachtete einen Spatz, der auf der Kante eines kommunalen Abfallbehälters balancierte. Ann-Britt Höglund war bereits eine knappe halbe Stunde weg. Er schloß die Augen und hob sein Gesicht zur Sonne. Versuchte, sich zurechtzulegen, was er Baiba sagen wollte. Ein Mann mit einem Gipsbein ließ sich auf die Bank plumpsen. Wallander blinzelte in die Sonne. Nach fünf Minuten kam ein Taxi. Der Mann mit dem Gips am Bein verschwand. Wallander schlenderte ein paarmal vor dem |381| Eingang auf und ab. Dann setzte er sich wieder. Eine Stunde war vergangen.
    Nach weiteren fünf Minuten kam sie aus dem Krankenhaus und setzte sich neben ihn. Er konnte ihrem Gesichtsausdruck nicht entnehmen, wie es gelaufen war.
    »Ich glaube, wir haben noch einen Grund übersehen, warum jemand versuchen kann, sich das Leben zu nehmen«, sagte sie. »Lebensüberdruß.«
    »War das ihre Antwort?«
    »Ich brauchte sie nicht einmal zu fragen. Sie saß auf einem Stuhl in einem weißen Zimmer, in einem Krankenhausbademantel. Ungekämmt, bleich, abwesend. Sicher immer noch tief in ihrer Krise und unter Medikamenteneinfluß. ›Warum soll man leben?‹ Das waren ihre Begrüßungsworte. Wenn ich ehrlich sein soll, glaube ich, sie wird wieder versuchen, sich das Leben zu nehmen. Aus Überdruß.«
    Wallander sah seinen Irrtum ein. Er hatte das gewöhnlichste Selbstmordmotiv übersehen: Ganz einfach nicht mehr leben zu wollen.
    »Du hast

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