Wallander 05 - Die falsche Fährte
Signale waren sehr deutlich.
»Künstler? Sogenannte Stars?«
»Vereinzelt. Aber selten. Ich glaube nicht, daß Åke ihnen traute. Vermutlich mit Recht.«
»Sie haben von jungen Mädchen gesprochen. Braunen Mädchen. Sie meinen keine Brünetten, sondern Mädchen mit dunkler Hautfarbe?«
»Ja.«
»Können Sie sich erinnern, jemals ein Mädchen mit dem Namen Dolores Maria getroffen zu haben?«
|396| »Nein.«
»Ein Mädchen aus der Dominikanischen Republik?«
»Ich weiß nicht einmal, wo das liegt.«
»Ist Ihnen ein Mädchen namens Louise Fredman begegnet? Siebzehn Jahre? Vielleicht jünger? Blond?«
»Nein.«
Wallander lenkte das Gespräch in eine andere Richtung. Sie schien noch nicht genervt zu sein. »Die Feste waren wild?«
»Ja.«
»Erzählen Sie!«
»Wollen Sie Einzelheiten?«
»Gerne.«
»Beschreibungen nackter Körper?«
»Nicht unbedingt.«
»Es waren Orgien. Den Rest können Sie sich vorstellen.«
»Kann ich?« fragte Wallander. »Da bin ich mir nicht so sicher.«
»Wenn ich mich auszöge und mich auf ihren Schreibtisch legte, käme das ziemlich unerwartet. Ungefähr so.«
»Unerwartete Ereignisse?«
»So etwas passiert, wenn unersättliche Menschen zusammenkommen.«
»Unersättliche Männer?«
»Genau.«
Wallander faßte das Gehörte in Gedanken rasch zusammen. Er kratzte noch immer nur an der Oberfläche. »Ich mache Ihnen einen Vorschlag«, sagte er. »Und stelle eine letzte Frage.«
»Noch sitze ich hier.«
»Mein Vorschlag ist, daß Sie mir die Möglichkeit geben, Sie noch einmal zu treffen. Bald. Innerhalb der nächsten Tage.«
Sie nickte zustimmend. Wallander hatte das unangenehme Gefühl, eine Art von Absprache einzugehen. Er erinnerte sich vage an die schreckliche Zeit, die er vor ein paar Jahren in Westindien zugebracht hatte. »Meine Frage ist einfach«, sagte er. »Sie haben Liljegrens Chauffeure erwähnt. Und seine wechselnden persönlichen Diener. Aber Sie sagten, er habe einen Assistenten gehabt. Sie haben nicht die Mehrzahl benutzt. Stimmt das?«
Er nahm eine vage Veränderung in ihrem Gesicht wahr. Sie sah |397| ein, daß sie sich verplappert hatte, auch ohne einen Namen zu nennen.
»Dieses Gespräch landet nur in meinen persönlichen Notizen«, sagte Wallander. »Habe ich richtig oder falsch gehört?«
»Sie haben falsch gehört«, sagte sie. »Natürlich hatte er mehr als einen Assistenten.«
Also richtig, dachte Wallander. »Das reicht für diesmal«, sagte er und stand auf.
»Ich gehe, wenn ich aufgeraucht habe«, sagte sie. Zum erstenmal während des gesamten Gesprächs ließ ihr Blick ihn los.
Wallander öffnete die Tür zum Flur. Sjösten saß auf einem Stuhl und las in einer Bootszeitschrift. Wallander nickte. Sie drückte ihre Zigarette aus und gab ihm die Hand. Als Sjösten sie zum Ausgang begleitet hatte und zurückkam, stand Wallander am Fenster und sah sie in ihren Wagen steigen.
»Ging es gut?« fragte Sjösten.
»Vielleicht«, sagte Wallander. »Sie hat sich einverstanden erklärt, mich noch einmal zu treffen.«
»Und was hat sie gesagt?«
»Eigentlich nichts.«
»Und das nennst du gut?«
»Mich hat interessiert, was sie nicht wußte«, sagte Wallander. »Ich will, daß Liljegrens Haus rund um die Uhr überwacht wird. Ich will auch, daß du Elisabeth Carlén beschatten läßt. Früher oder später wird jemand auftauchen, mit dem wir zu reden haben.«
»Das hört sich nach einer reichlich schwach untermauerten Begründung für eine Überwachung an«, sagte Sjösten.
»Das entscheide ich«, entgegnete Wallander freundlich. »Ich bin einstimmig zum Ermittlungsleiter ernannt worden.«
»Ich bin froh, daß ich es nicht bin«, antwortete Sjösten. »Bleibst du über Nacht?«
»Nein. Ich fahre nach Hause.«
Sie gingen die Treppe ins Untergeschoß hinunter.
»Hast du von dem Mädchen gehört, das sich in einem Rapsfeld verbrannt hat?« fragte Wallander, als sie sich trennen wollten.
»Ich habe es gelesen. Schreckliche Geschichte.«
»Sie ist per Anhalter gefahren und von Helsingborg von jemandem |398| mitgenommen worden«, fuhr Wallander fort. »Und sie hatte Angst. Ich frage mich, ob es mit dieser Sache hier zu tun haben kann. Obwohl es vollkommen unwahrscheinlich wirkt.«
»Es kursierten Gerüchte über Liljegren und Mädchenhandel«, sagte Sjösten. »Unter tausend anderen.«
Wallander betrachtete ihn gespannt. »Mädchenhandel?«
»Es gab Gerüchte, daß Schweden als Transitland für arme Mädchen aus Südamerika benutzt wurde.
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