Wallander 05 - Die falsche Fährte
danach alles erzählte, was er über Dolores Maria Santana wußte, daß sie sich offenbar auf der Flucht befand, als sie per Anhalter Helsingborg verließ, hatte Sjösten Wallanders Interesse zu verstehen begonnen.
»Einmal die Woche kam ein schwarzer Wagen zu Wetterstedts Haus«, sagte Wallander. »Die Haushilfe entdeckte es rein zufällig. Sie ist hiergewesen und meinte, wie du schon weißt, den Wagen |401| in Liljegrens Garage eventuell wiedererkennen zu können. Was folgerst du daraus?«
»Gar nichts«, sagte Sjösten. »Ein schwarzer Mercedes mit dunkel getönten Scheiben ist keine Seltenheit.«
»Aber nimm die Gerüchte hinzu, die Liljegren umgaben. Gerüchte über Mädchenhandel. Was spricht dagegen, daß er nicht nur Feste im eigenen Haus feierte? Warum sollte er nicht auch Mädchen ins Haus geliefert haben?«
»Nichts spricht dagegen«, sagte Sjösten. »Aber es kommt mir reichlich weit hergeholt vor.«
»Ich will wissen, ob dieser Wagen donnerstags Liljegrens Haus verlassen hat und freitags zurückkam.«
»Wie soll es möglich sein, das herauszufinden?«
»Es gibt Nachbarn, die etwas gesehen haben können. Wer fuhr den Wagen? Es kommt mir so eigentümlich leer vor um Liljegren. Er hatte doch Leute angestellt. Er hatte einen Assistenten. Wo stecken all diese Leute?«
»Wir arbeiten daran«, sagte Sjösten.
»Laß uns Prioritäten setzen. Das Motorrad ist wichtig. Ebenso Liljegrens Assistent. Und der Wagen an den Donnerstagen. Fang damit an. Setz dein gesamtes Personal auf diese Punkte an.«
Sjösten war hinausgegangen, um das Nötige zu veranlassen. Er konnte danach auch bestätigen, daß Elisabeth Carlén bereits beschattet wurde.
»Was tut sie?« fragte Wallander.
»Sie ist in ihrer Wohnung«, antwortete Sjösten. »Allein.«
Danach hatte Wallander in Ystad angerufen und mit Per Åkeson gesprochen. »Ich glaube, ich komme nicht daran vorbei, mit Louise Fredman zu sprechen«, sagte er.
»Dann mußt du sehr starke ermittlungstechnische Gründe auf den Tisch legen«, antwortete Åkeson. »Sonst kann ich dir nicht helfen.«
»Ich weiß, daß es wichtig sein kann.«
»Es muß handfest sein, Kurt.«
»Es gibt immer einen Weg, der an allen bürokratischen Scherereien vorbeiführt.«
»Worauf soll sie dir eigentlich Antwort geben können?«
|402| »Ob ihr mit einem Messer in die Fußsohlen geschnitten worden ist. Zum Beispiel.«
»Herrgott! Warum sollte es das?«
Wallander machte sich nicht die Mühe zu antworten. Statt dessen fragte er: »Kann nicht Louises Mutter ihre Einwilligung geben, Fredmans Witwe?«
»Genau daran denke ich auch gerade«, erwiderte Per Åkeson. »Auf dem Weg müßte es gehen.«
»Dann fahre ich morgen nach Malmö«, sagte Wallander. »Brauche ich ein Papier von dir?«
»Nicht wenn sie die Einwilligung gibt«, sagte Åkeson. »Aber du darfst sie nicht bedrängen.«
»Pflege ich Leute zu bedrohen?« fragte Wallander überrascht. »Das wußte ich noch nicht.«
»Ich sage lediglich, wonach du dich zu richten hast. Nichts anderes.«
Nach dem Gespräch hatte Sjösten Wallander vorgeschlagen, über den Sund zu fahren, zu Abend zu essen und sich einmal ganz in Ruhe zu unterhalten. Wallander hatte nichts einzuwenden. Noch war es zu früh, Baiba anzurufen. Oder vielleicht war es nur zu früh für ihn. Einen kurzen Augenblick dachte er, Sjösten mit seinen reichen Eheerfahrungen würde ihm vielleicht einen Rat geben können, wie er Baiba, die sich freute, erklären sollte, daß ihre Reise abgesagt oder auf unbestimmte Zeit verschoben werden mußte. Sie fuhren über den Sund, und Wallander hätte sich gewünscht, daß die Seereise länger gedauert hätte. Sjösten hatte darauf bestanden, ihn zu dem anschließenden Abendessen einzuladen. Ungefähr um halb zehn spazierten sie durch die Stadt zurück zur Fähre. Sjösten blieb vor einem Hauseingang stehen. »Hier wohnt ein Mann, der etwas für die Schweden übrig hat«, sagte er und lachte.
Wallander las auf einem Schild neben der Tür, daß es sich um eine Arztpraxis handelte.
»Er verschreibt Schlankheitsmittel, die in Schweden verboten sind«, fuhr Sjösten fort. »Hier stehen jeden Tag übergewichtige Schweden Schlange.«
»Und wohin fahren die Dänen?« fragte Wallander, als sie weitergingen.
|403| Das wußte Sjösten nicht.
Als sie auf der Treppe zur Abfahrtshalle waren, summte Sjöstens Mobiltelefon. Sjösten ging weiter, während er zuhörte. »Ein Kollege namens Larsson scheint auf eine richtige Goldader gestoßen
Weitere Kostenlose Bücher