Wallander 05 - Die falsche Fährte
möglich, sie am Samstagvormittag in Kastrup zu treffen? In weniger als achtundvierzig Stunden? Ihm war auch die Vorstellung zuwider, Martinsson darum zu bitten, für ihn am Telefon zu lügen. Jetzt kam er nicht einmal mehr darum herum. Alles war zu spät. Mit einem Gefühl äußerster Selbstverachtung kehrte er ins Haus und in den Schatten zurück. Sjösten sprach mit jemandem am Telefon. Wallander fragte sich, wann der Täter das nächste Mal zuschlagen würde. Er ging in die Küche, trank Wasser und versuchte dabei, nicht in Richtung des Herds zu sehen. Als er zurückkam, legte Sjösten mit einem Knall den Hörer auf.
|439| »Du hattest recht«, sagte er. »Auf Logårds Namen ist unten im Segelverein ein Boot registriert. In dem Verein, in dem ich auch Mitglied bin.«
»Dann fahren wir hin«, sagte Wallander und fühlte die Spannung steigen.
Als sie zum Hafen hinunterkamen, wurden sie vom Hafenmeister in Empfang genommen, der ihnen zeigen konnte, wo Logårds Boot vertäut war. Es war ein schönes, gut gepflegtes Kunststoffboot mit einem Teakdeck.
»Eine Komfortina«, sagte Sjösten. »Schönes Schiff. Außerdem ein guter Segler.«
Er stieg mit geübten Bewegungen an Bord und stellte fest, daß der Kajüteingang verschlossen war.
»Sie kennen Hans Logård natürlich?« fragte Wallander den Hafenmeister. Er hatte ein wettergegerbtes Gesicht und trug einen Pulli mit einem Reklameaufdruck für norwegische Fischbällchen.
»Er ist nicht besonders gesprächig. Aber natürlich grüßen wir uns, wenn er herkommt.«
»Wann war er zuletzt hier?«
Der Mann überlegte. »Vorige Woche. Aber jetzt im Hochsommer kann man sich leicht irren.«
Sjösten hatte inzwischen das Schiebeluk aufbekommen und öffnete von innen die beiden Türhälften. Wallander kletterte ungeschickt an Bord. Ein Bootsdeck war für ihn das gleiche wie neues Glatteis. Er krabbelte in die Plicht und weiter in die Kajüte. Sjösten hatte in weiser Voraussicht eine Taschenlampe mitgenommen. Sie durchsuchten rasch die Kabine, ohne etwas zu finden.
»Ich begreife das nicht«, sagte Wallander, als sie wieder auf dem Steg standen. »Von irgendwo muß Liljegren doch seine Geschäfte gelenkt haben.«
»Wir sind dabei, seine Mobiltelefone zu untersuchen«, sagte Sjösten. »Vielleicht bringt das etwas.«
Sie gingen zurück an Land. Der Mann mit dem Fischbällchen-Pulli ging mit ihnen.
»Vielleicht wollen Sie auch sein anderes Boot sehen«, sagte er, |440| als sie am Ende des langen Stegs angelangt waren. Wallander und Sjösten reagierten gleichzeitig.
»Hat Logård noch ein Boot?« fragte Wallander.
Der Hafenmeister zeigte zur äußersten Pier.
»Das weiße da draußen. Eine Storö. Sie heißt
Rosmarin
.«
»Klar wollen wir sie sehen«, sagte Wallander.
Sie hatten einen langen und wuchtigen, aber gleichzeitig schlanken Motorsegler vor sich.
»Die Dinger kosten Geld«, sagte Sjösten. »Und zwar nicht zu knapp.«
Sie stiegen an Bord. Die Kabinentür war verschlossen. Der Mann auf der Pier sah ihnen zu.
»Er weiß, daß ich Polizist bin«, sagte Sjösten.
»Wir haben keine Zeit, lange zu warten«, sagte Wallander. »Brich die Tür auf. Aber mach es billig.«
Es gelang Sjösten, die Tür aufzubrechen, ohne mehr als ein kleines Stück der Türleiste zu beschädigen. Sie betraten die Kajüte. Wallander sah sofort, daß sie fündig geworden waren. Längs der einen Wand lief ein Regal mit einer Anzahl von Aktenordnern und Kunststoffmappen.
»Hauptsache ist, wir finden eine Adresse von Logård«, sagte Wallander. »Den Rest sehen wir uns später an.«
Sie brauchten zehn Minuten, bis sie einen Mitgliedsausweis eines Golfclubs in der Nähe von Ängelholm fanden, auf dem Logårds Anschrift stand.
»Er wohnt in Bjuv«, sagte Sjösten. »Das ist nicht weit von hier.«
Bevor sie das Boot verließen, öffnete Wallander, einem Instinkt folgend, ein Kleiderschapp. Zu seiner Verwunderung hingen Frauenkleider darin.
»Vielleicht haben sie auch hier an Bord Feste gefeiert«, meinte Sjösten.
»Vielleicht«, erwiderte Wallander nachdenklich. »Aber ich bin mir nicht so sicher.«
Sie verließen das Boot und stiegen wieder auf die Pier.
»Ich möchte, daß du mich anrufst, wenn Logård auftaucht«, sagte Sjösten zu dem Hafenmeister und gab ihm eine Karte mit seiner Telefonnummer.
|441| »Aber das soll natürlich heimlich geschehen«, sagte der Mann komplizenhaft.
Sjösten lachte.
»Du hast es erfaßt«, antwortete er. »Du tust, als ob nichts wäre. Und
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