Wallander 05 - Die falsche Fährte
dann rufst du mich an. Egal zu welcher Tageszeit.«
»Nachts ist hier niemand.«
»Dann hoffen wir, daß er am Tage auftaucht.«
»Darf man fragen, was er verbrochen hat?«
»Fragen darf man«, sagte Sjösten. »Aber man bekommt keine Antwort.«
Sie verließen den Segelclub. Es war drei Uhr.
»Wollen wir mehr Leute mitnehmen?« meinte Sjösten.
»Noch nicht«, erwiderte Wallander. »Zuerst müssen wir sein Haus finden und feststellen, ob er da ist.«
Sie verließen Helsingborg und fuhren in Richtung Bjuv. Dies war ein Teil von Schonen, den Wallander nicht kannte. Es war schwül geworden. Wallander ahnte, daß es gegen Abend ein Gewitter geben würde.
»Wann hat es zuletzt geregnet?« fragte er.
»Im Juni um Mittsommer herum«, antwortete Sjösten nach kurzem Nachdenken. »Und das war auch nicht viel.«
Als sie von der Hauptstraße nach Bjuv abbogen, begann Sjöstens Mobiltelefon zu summen. Er verlangsamte das Tempo und nahm den Hörer ab.
»Für dich«, sagte er dann und reichte Wallander den Hörer hinüber.
Es war Ann-Britt Höglund, die aus Ystad anrief. Sie kam direkt zur Sache.
»Louise Fredman ist aus dem Krankenhaus geflohen.«
Wallander brauchte einen Moment, um zu begreifen.
»Kannst du das noch einmal sagen?«
»Louise Fredman ist aus dem Krankenhaus geflohen.«
»Wann?«
»Vor gut einer Stunde.«
»Wie hast du davon erfahren?«
»Jemand hat Per Åkeson angerufen. Und er rief mich an.«
Wallander dachte nach.
|442| »Und wie ist das vor sich gegangen?«
»Jemand kam und hat sie abgeholt.«
»Wer?«
»Das weiß ich nicht. Niemand hat es gesehen. Plötzlich war sie verschwunden.«
»Scheiße!«
Sjösten fuhr noch langsamer, als ihm klar wurde, daß etwas Ernstes geschehen sein mußte.
»Ich melde mich in Kürze wieder. Versuche inzwischen, alles in Erfahrung zu bringen, was passiert ist. Vor allem, wer sie abgeholt hat.«
»Louise Fredman ist aus dem Krankenhaus geflohen«, sagte er zu Sjösten.
»Warum denn das?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Wallander. »Aber das hat mit unserem Täter zu tun. Da bin ich ganz sicher.«
»Sollen wir umdrehen?«
»Nein. Wir fahren weiter. Jetzt ist es wichtiger denn je, daß wir Logård erwischen.«
Sie fuhren ins Dorf und hielten an. Sjösten kurbelte das Fenster herunter und fragte nach dem Weg zu der Straße, in der Hans Logård wohnen sollte.
Sie fragten drei Personen und bekamen jedesmal die gleiche Antwort.
Keiner hatte je von der Adresse gehört, die sie suchten.
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Sie wollten schon aufgeben und zusätzliches Personal hinzurufen, als sie schließlich doch noch Hans Logårds Haus ausfindig machten. Zu diesem Zeitpunkt fielen über Bjuv ein paar einsame Regentropfen. Das Gewitter zog weiter im Westen vorüber. Das trockene Wetter würde anhalten.
Sie hatten die Adresse Hördestigen gesucht, die die gleiche Postleitzahl hatte wie Bjuv. Aber in Bjuv gab es keinen Hördestigen. Wallander ging selbst in die Post und kontrollierte es. Hans Logård hatte auch kein Postfach, zumindest nicht in Bjuv. Schließlich konnten sie sich keine andere Möglichkeit mehr vorstellen, als daß die Anschrift falsch war. Doch da war Wallander mit entschlossenen Schritten in die Konditorei von Bjuv marschiert und hatte ein freundliches Gespräch mit den beiden Damen hinter der Theke angefangen, während er eine Tüte Zimtschnecken kaufte. Eine von ihnen wußte die Antwort. Hördestigen war kein Weg. Es war der Name eines Hofs, nördlich der Stadt, schwer zu finden, wenn man nicht genau wußte, wohin man wollte.
»Da wohnt ein Mann namens Hans Logård«, hatte Wallander gesagt. »Kennen Sie ihn?«
Die beiden Frauen hatten einander angesehen, als befragten sie ihr kollektives Gedächtnis, und danach unisono mit dem Kopf geschüttelt.
»Als ich Kind war, wohnte ein entfernter Verwandter von mir auf Hördestigen«, sagte eine der Frauen, die schlankere von beiden. »Aber als er starb, wurde der Hof an Fremde verkauft. Und so ist es wohl weitergegangen. Aber der Hof heißt Hördestigen, das weiß ich. Die Postanschrift lautet ganz anders.«
Wallander bat sie um eine Skizze. Sie riß eine Brötchentüte entzwei und zeichnete den Weg auf. Sjösten saß währenddessen draußen im Wagen. Es war inzwischen fast sechs. Ihre Suche |444| nach dem Hördestigen hatte sie bereits mehrere Stunden gekostet. Weil Wallander fast ununterbrochen telefoniert hatte, um weitere Einzelheiten über das Verschwinden von Louise Fredman in Erfahrung zu bringen, hatte
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