Wallander 05 - Die falsche Fährte
verschnürt. Fliegen surrten darum. Er öffnete einen der Säcke. Essensreste, Pappteller. Mit Daumen und Zeigefinger nahm er eine Kunststoffverpackung von Scan heraus. Sjösten stand neben ihm und sah zu. Wallander betrachtete die verschiedenen Verfallsdaten, die Verpackung roch noch nach rohem Fleisch. Sie konnte noch nicht lange hier gelegen haben. Nicht in dieser Hitze. Er öffnete den anderen Sack. Auch der war voller Verpackungen von Fertiggerichten. Hier war in wenigen Tagen viel gegessen worden.
Sjösten schaute in die Säcke.
»Er muß ein Fest gefeiert haben.«
Wallander versuchte nachzudenken. Die drückende Hitze machte ihm den Kopf schwer. Binnen kurzem würde er Kopfschmerzen bekommen.
»Wir gehen rein«, sagte er. »Ich will mich da drinnen umsehen. Gibt es keine Möglichkeit, die Alarmanlage zu überlisten?«
»Höchstens durch den Schornstein«, erwiderte Sjösten.
»Dann hilft es nichts«, sagte Wallander.
»Ich habe einen Kuhfuß im Wagen«, sagte Sjösten.
Er holte ihn. Wallander untersuchte die Tür auf der Vorderseite des Hauses. Er dachte an die Tür, die er kürzlich bei seinem Vater in Löderup aufgebrochen hatte. Es schickte sich an, der Sommer der Türen für ihn zu werden. Zusammen mit Sjösten ging er auf die Rückseite des Hauses. Die Tür dort wirkte weniger robust. Wallander entschloß sich, sie an den Angeln aufzubrechen. Er klemmte den Kuhfuß zwischen den beiden Türangeln in den Spalt zwischen Tür und Fassung. Dann sah er Sjösten an, der einen Blick auf seine Armbanduhr warf.
|447| »Klar«, sagte er.
Wallander stemmte mit allen Kräften und dem Druck seines ganzen Gewichts. Die Türangeln brachen heraus, zusammen mit Putz und brüchigem Ziegelstein. Er sprang zur Seite, um nicht unter die Tür zu geraten.
Sie gingen hinein. Das Innere des Hauses erinnerte womöglich noch stärker an Carlmans Haus. Zwischenwände waren herausgerissen und offene Flächen geschaffen worden. Moderne Möbel, neue Parkettböden. Sie horchten wieder. Alles war still. Zu still, dachte Wallander. Als hielte ein ganzes Haus den Atem an. Sjösten zeigte auf ein Faxgerät mit integriertem Telefon auf einem Tisch. Die Anzeige des Anrufbeantworters blinkte. Wallander nickte. Sjösten drückte auf die Abspieltaste. Es knisterte und klickte. Dann hörte man eine Stimme. Wallander sah Sjösten zusammenzucken. Eine Männerstimme bat Logård um schnellstmöglichen Rückruf. Dann war es wieder still. Das Band stoppte.
»Das war Liljegren«, sagte Sjösten, offenbar erschüttert. »Pfui Teufel.«
»Dann wissen wir, daß diese Mitteilung ziemlich alt ist«, sagte Wallander.
»Und daß Logård seitdem nicht hiergewesen ist«, ergänzte Sjösten.
»Das muß nicht unbedingt so sein«, meinte Wallander. »Er kann es abgehört, aber anschließend nicht gelöscht haben. Wenn dann zwischenzeitlich der Strom ausfällt, beginnt die Anzeige wieder zu blinken. Hier in der Nähe kann ein Blitz eingeschlagen sein. Das wissen wir nicht.«
Sie gingen durch das Haus. Ein schmaler Gang führte zu dem Teil des Hauses, der genau im Winkel des L lag. Dort war die Tür verschlossen. Wallander hob plötzlich die Hand. Sjösten hinter ihm blieb wie angewurzelt stehen. Wallander hörte ein Geräusch. Zuerst konnte er nicht ausmachen, was es war. Dann hörte es sich an wie ein scharrendes Tier. Dann wie ein leises Murmeln. Er sah Sjösten an. Als er an die Tür faßte, bemerkte er, daß sie aus Stahl war. Sie war verschlossen. Das Murmeln hatte aufgehört. Sjösten hatte es inzwischen auch gehört.
»Was ist hier eigentlich los, Mensch?« flüsterte er.
|448| »Ich weiß nicht«, gab Wallander zurück. »Diese Tür schaffe ich mit dem Kuhfuß nicht.«
»Ich tippe mal, in einer Viertelstunde haben wir einen Wagen der Wachgesellschaft hier.«
Wallander dachte nach. Er wußte nicht, was hinter der Tür war, außer daß da mindestens ein Mensch sein mußte, wenn nicht mehr. Er verspürte Übelkeit. Er mußte die Tür aufbekommen.
»Gib mir die Pistole«, sagte er.
Sjösten nahm sie aus der Tasche.
»Gehen Sie von der Tür weg«, rief Wallander laut. »Ich schieße die Tür auf.«
Er betrachtete das Schloß, trat einen Schritt zurück, entsicherte und schoß. Der Knall war ohrenbetäubend. Er schoß noch einmal und ein drittes Mal. Die Querschläger pfiffen durch den hinteren Teil des Ganges. Dann gab er Sjösten die Pistole zurück und trat die Tür auf. Seine Ohren dröhnten von den Knallen.
Es war ein großer Raum ohne
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