Wallander 05 - Die falsche Fährte
Berührungspunkte.«
»Vielleicht entspricht das genau dem Sachverhalt«, sagte Sjösten nachdenklich.
Wallander horchte instinktiv auf. Er wartete auf eine Fortsetzung, die jedoch ausblieb.
»Woran denkst du?«
Sjösten starrte weiter aus dem Fenster.
»Warum kann es nicht so sein?« meinte er. »Daß Björn Fredman nicht ins Bild paßt. Wir können davon ausgehen, daß er von demselben Mann getötet wurde, aber aus einem völlig anderen Motiv.«
»Das klingt nicht einleuchtend«, meinte Birgersson.
»Was ist schon einleuchtend in dieser ganzen Geschichte?« fuhr Sjösten fort. »Nichts.«
»Wir sollten mit anderen Worten nach zwei ganz unterschiedlichen Motiven suchen«, sagte Wallander. »Meinst du das so?«
»Ungefähr so. Aber ich kann mich natürlich irren. Mir kam nur plötzlich der Gedanke. Das ist alles.«
Wallander nickte.
»Du kannst recht haben«, meinte er. »Wir sollten die Möglichkeit nicht außer acht lassen.«
|435| »Die falsche Fährte«, sagte Birgersson. »Ein totes Gleis, eine Sackgasse. Es ist ganz einfach nicht glaubhaft.«
»Wir vergessen es nicht«, sagte Wallander. »Wie wir auch anderes nicht vergessen. Aber jetzt müssen wir diesen Hans Logård auftreiben. Das ist jetzt das wichtigste.«
»Liljegrens Haus ist sehr sonderbar«, sagte Sjösten. »Es gibt überhaupt keine Papiere dort. Keine Adreßbücher, nichts. Weil er so früh am Morgen gefunden wurde und die Villa seitdem unter Bewachung steht, kann auch niemand hineingekommen sein und Dinge beseitigt haben.«
»Was bedeutet, daß wir nicht ordentlich gesucht haben«, sagte Wallander. »Ohne diesen Logård kommen wir keinen Schritt weiter.«
Sjösten und Wallander aßen in einem Restaurant gleich neben dem Polizeipräsidium in aller Hast zu Mittag. Um kurz nach zwei hielten sie vor Liljegrens Villa. Die Absperrung war noch nicht aufgehoben. Ein Polizist öffnete das Gartentor und ließ sie hinein. Durch das Laub der Bäume fielen Sonnenstrahlen. Wallander empfand alles auf einmal als ganz unwirklich. Monster gehörten in Dunkelheit und Kälte. Nicht in einen Sommer, wie sie ihn bisher in diesem Jahr erlebten. Er erinnerte sich an etwas, das Rydberg einmal ironisch und im Scherz gesagt hatte.
Geisteskranke Mörder jagt man am besten im Herbst. Im Sommer bevorzugen wir den einen oder anderen altmodischen Sprengstoffattentäter.
Er lächelte, als er daran dachte. Sjösten blickte ihn verwundert an, sagte jedoch nichts. Sie betraten die große Villa. Die Polizeitechniker hatten ihre Arbeit abgeschlossen. Wallander warf angewidert einen Blick in die Küche. Die Backofenklappe war geschlossen. Er dachte an Sjöstens Gedanken von vorhin. Björn Fredman, der nicht ins Bild paßte und damit vielleicht seinen richtigen Platz in ihrer Ermittlung einnahm. Ein Täter mit zwei Motiven. Gab es solche Vögel? Auf dem Tisch sah er ein Telefon stehen, nahm den Hörer ab. Es war noch angeschlossen. Er rief in Ystad an und bat Ebba, ihm Ekholm an den Apparat zu holen. Es dauerte fast fünf Minuten, bis Ekholm sich meldete. Währenddessen hatte Wallander zugesehen, wie Sjösten durch die großen Räume im Erdgeschoß ging und sämtliche Gardinen zurückzog. Starkes Sonnenlicht |436| flutete plötzlich herein. Der Geruch der Chemikalien, die die Kriminaltechniker benutzt hatten, hing noch im Raum. Als Ekholm sich endlich meldete, stellte Wallander ihm ohne große Einleitung seine Frage. Sie war eigentlich für Ekholms Computer gedacht, ein etwas geänderter Ausgangspunkt: Serienmörder, die verschiedene Motive in der gleichen Serie miteinander verknüpften. Hatte man damit schon Erfahrungen gemacht? Konnten die vereinigten verhaltenspsychologischen Kriminologen der Welt dazu etwas sagen? Wie immer fand Ekholm Wallanders Gedanken interessant. Wallander selbst hatte inzwischen angefangen, sich zu fragen, ob Ekholm es ernst meinte, oder ob er wirklich so naiv begeistert war über alles, was Wallander ihm erzählte. Wallander fühlte sich an all die Schmähgesänge über die absurde Inkompetenz der schwedischen Sicherheitspolizei erinnert, die sich in den letzten Jahren immer mehr auf verschiedene Spezialisten verließ, ohne daß jemand dafür irgendeinen Grund nennen konnte.
Andrerseits wollte Wallander Ekholm nicht unrecht tun. Dieser hatte sich in seinen Tagen in Ystad als ein guter Zuhörer erwiesen und damit unter Beweis gestellt, daß er einen Grundsatz polizeilicher Arbeit begriffen hatte. Polizisten mußten zuhören können, und zwar
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