Wallander 05 - Die falsche Fährte
Bedingung, daß er für drei Jahre das Alleinverkaufsrecht für ihre Bilder erhielt. Oberflächlich betrachtet, handelte es sich für sie um einen sehr vorteilhaften Vertrag. Doch das Kleingedruckte, das im fahlen Licht der Sommernacht nicht zu lesen war, sicherte ihm darüber hinaus eine große Anzahl von Rechten an ihren zukünftigen Bildern. Als sie in die Laube traten, wischte er zwei Stühle mit einem Taschentuch trocken und bat sie, sich zu setzen. Er brauchte eine knappe halbe Stunde, um sie dazu zu bringen, den Vertrag zu unterschreiben. Dann reichte er ihr einen der von dem italienischen Designer kreierten Füller, und sie unterschrieb.
Sie verließ die Laube und ging zurück in den Stall. Später sollte sie mit großer Bestimmtheit behaupten, daß es zu diesem Zeitpunkt genau drei Minuten vor Mitternacht gewesen war. Aus irgendeinem Grund hatte sie einen Blick auf ihre Uhr geworfen, als sie auf einem der Kieswege zum Haus hinaufging. Mit der gleichen Entschiedenheit schwor sie auch, daß Arne Carlman vollkommen normal gewesen sei, als sie ihn verließ. Er habe keinerlei |127| Zeichen von Unruhe erkennen lassen. Auch nicht, daß er jemanden erwartete. Er habe nur gesagt, er wolle noch ein paar Minuten sitzen bleiben, um die frische Luft nach dem Regen zu genießen.
Sie hatte sich nicht umgesehen. Aber sie war trotzdem sicher, daß sich kein anderer Mensch im Garten befand. Sie hatte auch niemanden getroffen, der auf dem Weg zur Laube war.
*
Hoover hatte den ganzen langen Abend auf dem Hügel versteckt gelegen. Es hatte zwar aufgehört zu regnen, doch der Boden war feucht, und er fror. Dann und wann stand er auf und schüttelte seine kältestarren Glieder. Kurz nach elf hatte er durch das Fernglas gesehen, daß der Augenblick sich näherte. Immer weniger Menschen hielten sich im Garten auf. Er hatte seine Waffen hervorgeholt und sie in den Gürtel gesteckt. Auch Schuhe und Strümpfe hatte er ausgezogen und in den Rucksack gestopft. Dann war er vorsichtig, geduckt, den Hügel hinabgeglitten und im Schutz eines Rapsfelds einen Feldweg entlanggelaufen. Er gelangte zur Rückseite des Gartens und sank auf den nassen Boden. Durch die Hecke konnte er den Garten überblicken.
Eine knappe halbe Stunde später hatte sein Warten ein Ende. Arne Carlman kam in Begleitung einer jungen Frau direkt auf ihn zu. Sie setzten sich in die Laube. Hoover hatte Schwierigkeiten zu verstehen, worüber sie sich unterhielten. Nach ungefähr dreißig Minuten erhob sich die Frau, doch Arne Carlman blieb sitzen. Der Garten war verlassen. Die Musik im Stall hatte aufgehört. Statt dessen hörte man den lautgestellten Ton von mehreren Fernsehern. Hoover stand auf, zog seine Axt und preßte sich unmittelbar neben der Laube durch die Hecke. Ein letztes Mal kontrollierte er hastig, ob der Garten menschenleer war. Dann hatte alles Zögern ein Ende, die Offenbarungen seiner Schwester mahnten ihn, seine Aufgabe auszuführen. Er stürzte in die Laube und schlug Arne Carlman die Axt frontal ins Gesicht. Der gewaltige Hieb spaltete den Schädel bis zum Oberkiefer. Carlman blieb mit den beiden auseinanderklaffenden Gesichtshälften auf der Bank |128| sitzen. Hoover griff nach dem Messer und schnitt das Haar von dem Teil des Kopfes, der ihm am nächsten war. Dann verschwand er ebenso schnell, wie er gekommen war. Er kehrte zum Hügel zurück, holte seinen Rucksack und lief zu der kleinen Schotterstraße, wo er hinter einer Baracke des Straßenbauamts sein Moped abgestellt hatte.
Zwei Stunden später vergrub er den Skalp neben dem ersten unter dem Fenster seiner Schwester.
Der Wind hatte sich gelegt. Am Himmel war keine Wolke mehr zu sehen.
Der Mittsommertag würde schön und warm werden.
Der Sommer war gekommen. Schneller, als man gedacht hatte.
|129| Schonen
25
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28. Juni 1994
|131| 11
Der Notruf erreichte die Polizei in Ystad kurz nach zwei Uhr in der Nacht.
Im selben Augenblick schoß Thomas Brolin im Spiel gegen Rußland ein Tor für Schweden. Er verwandelte einen Elfmeter. Ein Jubel ging durch die schwedische Sommernacht. Es war eine ungewöhnlich ruhige Mittsommernacht. Der Polizist, der das Gespräch annahm, war aufgesprungen und brüllte, als Brolin das Tor schoß. Trotz seiner Begeisterung erfaßte er unmittelbar den Ernst des Anrufs. Die Frau, die ihm ins Ohr schrie, wirkte nüchtern. Ihre Hysterie entsprang einem vollkommen realen Schockerlebnis. Der Polizist rief Hansson an, auf dem die Verantwortung als
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