Wallander 05 - Die falsche Fährte
wir einige Antworten so schnell wie möglich brauchen, bin ich hergekommen.«
»Sie brauchen sich nicht dafür zu entschuldigen, daß Sie am Sonntag kommen«, sagte sie. »Was möchten Sie wissen?«
»Saß Ihr Mann im Frühjahr 1969 im Gefängnis?«
Ihre Antwort kam sehr schnell und bestimmt.
|180| »Er saß zwischen dem neunten Februar und dem achten Juni auf Långholmen. Ich fuhr ihn hin und holte ihn wieder ab. Er war wegen Hehlerei und Betrug verurteilt worden.«
Ihre Aufrichtigkeit brachte Wallander für einen Augenblick aus dem Konzept. Was hatte er eigentlich erwartet? Daß sie es abstreiten würde?
»War es das erste Mal, daß er eine Gefängnisstrafe bekam?«
»Das erste und letzte Mal.«
»Er war wegen Hehlerei und Betrug verurteilt worden?«
»Ja.«
»Können Sie mehr darüber sagen?«
»Er wurde verurteilt, obwohl er jede Schuld bestritt. Er hatte weder gestohlene Gemälde angenommen noch Schecks gefälscht. Das hatten andere getan und seinen Namen benutzt.«
»Sie meinen also, daß er unschuldig war?«
»Es geht nicht darum, was ich meine oder nicht. Er war unschuldig.«
Wallander beschloß, das Thema zu wechseln. »Gewissen Informationen zufolge kannte Ihr Mann Gustaf Wetterstedt. Obwohl Sie und Ihre Kinder kürzlich ausgesagt haben, dies sei nicht der Fall gewesen.«
»Wenn er Gustaf Wetterstedt gekannt hätte, wüßte ich das.«
»Konnte er diesen Kontakt ohne Ihr Wissen gehabt haben?«
Sie dachte nach, bevor sie antwortete. »Das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen«, sagte sie.
Wallander sah sofort, daß sie nicht die Wahrheit sagte. Aber er konnte nicht gleich einordnen, was die Lüge bedeutete. Weil er keine Fragen mehr hatte, stand er auf.
»Sie finden vielleicht selbst zur Tür«, sagte die Frau auf dem Sofa. Sie wirkte plötzlich sehr müde.
Wallander ging zur Tür. Als er an der Tochter vorbeikam, die auf ihrem Stuhl saß und alle seine Bewegungen verfolgte, sprang sie auf und stellte sich ihm in den Weg. In der linken Hand hielt sie die Zigarette.
Aus dem Nichts kam ihre Ohrfeige und traf Wallander hart auf die linke Backe. Er war so überrascht, daß er einen Schritt rückwärts machte, stolperte und auf den Boden fiel.
|181| »Warum habt ihr das zugelassen?« schrie die junge Frau aufgebracht.
Dann begann sie, auf Wallander einzuschlagen, der sie sich nur mit großer Mühe vom Leib halten konnte, während er gleichzeitig versuchte, wieder hochzukommen.
Die Frau auf dem Sofa erhob sich und kam ihm zu Hilfe. Sie tat das gleiche, was ihre Tochter gerade mit Wallander gemacht hatte. Sie schlug ihr hart ins Gesicht. Als die Tochter sich beruhigt hatte, führte ihre Mutter sie zum Sofa. Dann kehrte sie zu Wallander zurück, der mit seiner brennenden Backe dastand und zwischen Wut und Verblüffung schwankte.
»Sie ist schwer deprimiert über alles, was geschehen ist«, sagte Anita Carlman. »Sie hat die Beherrschung verloren. Sie müssen sie entschuldigen, Herr Kommissar.«
»Sie sollte vielleicht in ärztliche Behandlung«, sagte Wallander und merkte, daß seine Stimme bebte.
»Das ist sie schon.«
Wallander nickte und ging. Er war noch immer geschockt über die kräftige Ohrfeige. Er versuchte sich zu erinnern, wann er das letzte Mal geschlagen worden war. Es war mehr als zehn Jahre her. Er hatte einen Mann verhört, der eines Einbruchs verdächtigt wurde. Plötzlich war der Mann vom Tisch aufgesprungen und hatte ihm mit der Faust ins Gesicht geschlagen, genau auf den Mund. Damals hatte Wallander zurückgeschlagen. Seine Wut war so groß gewesen, daß er dem Mann das Nasenbein gebrochen hatte. Hinterher hatte dieser versucht, Wallander wegen Amtsmißbrauch und Körperverletzung anzuzeigen, aber Wallander war natürlich freigesprochen worden. Der Mann hatte später noch eine Klage gegen ihn beim juristischen Ombudsmann eingereicht, doch auch die war folgenlos geblieben.
Von einer Frau war er noch nie geschlagen worden. Wenn seine Frau Mona so erregt gewesen war, daß sie die Beherrschung verlor, warf sie Sachen nach ihm. Aber sie hatte ihn nie geschlagen. Er hatte sich häufig voller Furcht gefragt, was passiert wäre, wenn sie es getan hätte. Hätte er dann zurückgeschlagen? Er wußte, daß die Gefahr sehr groß gewesen wäre.
Er blieb im Garten stehen und befühlte seine brennende Backe. |182| Die Energie, die er am Morgen gespürt hatte, als Linda mit ihrer Freundin vor seiner Tür stand, war plötzlich verflogen.
Er ging zu seinem Wagen zurück. Der
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