Wallander 07 - Mittsommermord
das einzige Foto, das Rolf Haag aufnehmen konnte, entwickelt. Das Brautpaar lachte direkt in die Kamera. Wallander betrachtete das Bild. Gleichzeitig erinnerte er sich vage an etwas, was Nyberg früher am Tag gesagt hatte.
»Was hast du noch gesagt?« fragte er. »Als wir da bei dem Kamerastativ standen. Und du festgestellt hattest, daß er nur ein einziges Bild gemacht hatte.«
»Habe ich was gesagt?«
»Ja. Irgendeinen Kommentar hast du abgegeben.«
Nyberg dachte nach. »Ich glaube, ich habe gesagt, daß dieser Verrückte keine glücklichen Menschen mag.«
»Und was hast du damit gemeint?«
»Svedberg kann man wohl kaum als überschwenglichen und lebensfrohen Menschen bezeichnen. Aber die Jugendlichen da draußen im Reservat. Man sollte doch meinen, daß ihr Fest Lebensfreude beinhaltete.«
Wallander ahnte mehr, was Nyberg meinte, als daß er es verstand. Er blickte noch einmal auf das Hochzeitsfoto.
Dann reichte er Nyberg das Bild zurück und nickte Ann-Britt Höglund zu, ihm zu folgen. Sie setzten sich in eins der leeren Polizeiautos.
»Wo ist Thurnberg?« fragte Wallander.
»Er ist ziemlich schnell verschwunden.«
»Hat er etwas gesagt?«
»Nicht soweit ich weiß.«
Der Regen war jetzt kräftiger geworden und trommelte aufs Wagendach.
»Einen Augenblick lang war ich drauf und dran, die Verantwortung |405| abzugeben«, sagte Wallander. »Wir haben acht Tote. Und wir sind einer Lösung noch keinen Schritt nähergekommen.«
»Was würde denn besser werden, wenn du die Verantwortung an jemand anderen abgäbest? Und an wen überhaupt?«
»Vielleicht wollte ich nur kneifen.«
»Aber du hast es dir anders überlegt?«
»Ja.«
Wallander wollte gerade auf die Fragen zu sprechen kommen, die er ihr gestellt hatte, bevor er nach Köpingebro gefahren war, als jemand an das Wagenfenster klopfte. Es war Martinsson.
»Ich dachte, du solltest wissen, daß ein Mann Anzeige gegen dich erstattet hat.«
Wallander sah ihn verständnislos an. »Gegen mich. Und warum?«
»Wegen angeblicher Körperverletzung.«
Martinsson kratzte sich besorgt die Stirn. »Erinnerst du dich an den Jogger draußen im Reservat? Nils Hagroth?«
»Er hatte da nichts zu suchen.«
»Er hat dich jedenfalls wegen Körperverletzung angezeigt. Thurnberg hat davon erfahren. Und er betrachtet die Angelegenheit offenbar als sehr ernst.«
Wallander verschlug es die Sprache.
»Ich wollte nur, daß du es weißt«, sagte Martinsson. »Sonst nichts.«
Der Regen prasselte. Martinsson verschwand.
Ein Stück von ihnen entfernt beleuchtete ein Scheinwerfer die Stelle, an der einige Stunden zuvor ein Brautpaar getötet worden war.
Es war inzwischen halb elf geworden.
|406| 26
Kurz nach Mitternacht hörte es auf zu regnen.
In der Ferne, aus der Richtung von Bornholm, sah man Wetterleuchten. Doch das Gewitter hatte Schonen nicht erreicht. Als die letzten Tropfen gefallen waren, trat Wallander aus dem Scheinwerferlicht und ging hinunter zum Strand. Noch immer waren Menschen vor den Absperrungen versammelt. Doch dahinter lag der Strand verlassen da. Er wandte sich um und blickte zu den Scheinwerfern hinauf. Die Leichen waren abtransportiert worden. Aber Nyberg und seine Leute arbeiteten noch.
Wallander war zum Strand hinuntergegangen, um nachzudenken. Sich eine Meinung zu bilden über das, was eigentlich geschehen war, und zu überlegen, wie sie weiter vorgehen sollten.
Nach dem Regen war die Luft frisch. Der Geruch faulenden Tangs war verschwunden. Doch die Wärme war geblieben. Es war wieder windstill. Die Bewegung des Meeres an der Strandlinie war kaum wahrzunehmen. Wallander pinkelte ins Wasser. Durch seine Vorstellung geisterten die weißen Zuckerinseln, die sich wie kleine Eisberge in seinen Venen auftürmten. Er hatte ständig einen trockenen Mund, hatte manchmal Schwierigkeiten, verschiedene Gegenstände mit dem Blick zu fixieren, und ahnte, daß sein Blutzuckerspiegel weiter stieg.
Doch im Augenblick konnte er nichts daran ändern. Nachher, falls es ihnen gelingen sollte, den Mörder zu fassen, würde er sich krankschreiben lassen, bis seine Gesundheit wiederhergestellt war.
Falls er nicht einen Herzschlag bekam und einfach umfiel und starb.
Er erinnerte sich daran, wie er vor fünf Jahren mit heftigen Schmerzen in der Brust aufgewacht war und geglaubt hatte, er habe einen Herzinfarkt. Im Krankenhaus hatte man nichts feststellen |407| können. Aber ein Arzt hatte ihn nachdrücklich gewarnt, und er hatte anschließend alles getan, um
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