Wallander 07 - Mittsommermord
der sich auf einem Block Notizen machte.
»Wir haben Fußspuren«, sagte er. »Oder, richtiger gesagt, Fußabdrücke. Der Mann, der geschossen hat, war barfuß.«
Nyberg steckte den Notizblock ein. »Der Fotograf ist als erster getötet worden«, sagte er. »Daran besteht kein Zweifel. Die Kugel ist schräg in den Nacken eingedrungen. Das bedeutet, daß er dem Schützen teilweise den Rücken zugewandt haben muß. Wenn der erste Schuß auf das Brautpaar gerichtet gewesen wäre, hätte der Fotograf sich umgedreht. Dann müßte der Schuß ihn von vorn getroffen haben.«
»Und weiter?«
»Schwer zu sagen. Ich nehme an, der Bräutigam war der nächste. Ein Mann stellt eine größere physische Gefahr dar. Zuletzt das Mädchen.«
»Gibt es sonst noch etwas?«
»Nichts, was wir nicht bereits wissen. Der Täter beherrscht seine Waffe perfekt.«
»Ihm zittert also nicht die Hand?«
»Kaum.«
»Du siehst einen ruhigen und zielbewußten Täter vor dir?«
Nyberg blickte Wallander grimmig an. »Ich sehe einen eiskalten und herzlosen Verrückten.«
Wallander ging zu einem wartenden Polizeiwagen und bat darum, nach Ystad gefahren zu werden.
Als er ins Präsidium kam, klingelte in der Alarmzentrale unaufhörlich das Telefon. Einer der Beamten, der gerade einen Anruf entgegennahm, winkte ihn zu sich. Wallander wartete, bis der Kollege das Gespräch beendet hatte. Ein vermutlich angetrunkener Autofahrer war in Svarte gesehen worden. Der Polizist versprach, so schnell wie möglich einen Streifenwagen zu schicken. |410| Wallander war klar, daß daraus in den nächsten vierundzwanzig Stunden kaum etwas werden würde.
»Sie haben von der Polizei in Kopenhagen angerufen. Jemand, der Kjær hieß, oder Kræmp.«
»Und worum ging es?«
»Ich glaube, es ging um das Foto, das wir rübergeschickt haben.«
Wallander nahm den Zettel mit dem Namen und der Telefonnummer. Ohne die Jacke auszuziehen, setzte er sich an seinen Schreibtisch und rief in Dänemark an. Das Gespräch war kurz vor Mitternacht in Ystad angekommen. Vielleicht war Kjær oder Kræmp noch da.
Wallander kam durch, sagte, mit wem er sprechen wollte, und wartete.
»Kjær.«
Wallander hatte einen Mann erwartet. Aber hinter dem Namen Kjær verbarg sich eine Frau.
»Kurt Wallander in Ystad. Sie haben angerufen.«
»Guten Abend. Es geht um das Foto dieser Frau. Die vielleicht Louise heißt. Wir haben zwei Hinweise bekommen. Zwei Personen haben sie erkannt.«
Wallander schlug mit der Faust auf den Tisch. »Endlich.«
»Ich habe selbst mit einem der beiden gesprochen. Er wirkt sehr glaubwürdig. Er heißt Anton Bakke und ist Informationschef bei einem Unternehmen, das Büromöbel herstellt.«
»Und er kennt sie?«
»Nein. Aber er ist sich sicher, sie gesehen zu haben. Hier in Kopenhagen. In einer Bar. Ganz in der Nähe vom Hauptbahnhof. Er hat sie mehrmals gesehen.«
»Es ist sehr wichtig, daß wir mit dieser Frau in Kontakt kommen.«
»Hat sie ein Verbrechen begangen?«
»Das wissen wir nicht. Aber sie taucht in einer Mordermittlung auf, die immer unübersichtlicher wird. Deshalb haben wir ihr Bild rausgeschickt.«
»Ich habe gehört, was passiert ist. Die Jugendlichen, die draußen im Park gefeiert haben. Und ein Polizist.«
|411| Wallander ergänzte noch, was im Laufe des Tages geschehen war.
»Und Sie glauben, diese Frau hat damit zu tun?«
»Nicht unbedingt. Aber ich habe dringende Fragen an sie.«
»Zeitweilig geht Bakke ein paarmal die Woche in diese Bar. Ungefähr jedes zweite Mal hat er sie gesehen.«
»War sie allein?«
»Bakke war sich nicht sicher. Aber er meint, sie sei in Begleitung gewesen.«
»Haben Sie ihn gefragt, wann er sie dort zuletzt gesehen hat?«
»Als er selbst zum letztenmal in der Bar war. Mitte Juni.«
»Sie sagten, Sie hätten noch einen zweiten Hinweis bekommen?«
»Ja, von einem Taxifahrer. Er meinte, er hätte sie vor ein paar Wochen in Kopenhagen gefahren.«
»Die Gefahr ist wohl ziemlich groß, daß ein Taxifahrer sich irrt.«
»Er erinnerte sich an sie, weil sie Schwedisch gesprochen hat.«
»Hat er sie irgendwo abgeholt?«
»Sie hat seinen Wagen nachts auf der Straße angehalten. Oder, genauer gesagt, am frühen Morgen. Gegen halb fünf. Sie wollte mit dem ersten Flugboot nach Malmö.«
Wallander versuchte, einen Entschluß zu fassen. Diese Frau auf dem Foto aus Svedbergs Wohnung war immer noch wichtig. Aber wie wichtig? Er entschied, daß sie so schnell wie möglich mit ihr sprechen mußten. Sie durften nicht
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