Wallander 07 - Mittsommermord
versuchen es trotzdem«, entschied Wallander.
Plötzlich fiel ihm etwas anderes ein. »Wer hat eigentlich mit der Krankenschwester gesprochen? Die den Anruf von jemandem entgegengenommen hat, der sich als Erik Lundberg ausgab?«
»Das war ich«, sagte Ann-Britt. »Eigentlich sollte Hansson es machen. Aber dann habe ich es übernommen.«
»Woran konnte sie sich erinnern?«
»An nicht viel. Er sprach Schonisch.«
»Klang es echt?«
Sie sah ihn erstaunt an. »Tatsächlich nicht. Das hat sie noch gewußt. Daß etwas komisch war mit seinem Dialekt. Aber sie konnte nicht genau sagen, was.«
»Man kann das also so verstehen, daß er nicht echt war?«
»Ja.«
»Und wie klang die Stimme? Hell oder dunkel?«
»Dunkel.«
Wallander kehrte in Gedanken ins
Amigo
zurück. Louise hatte ihn angelächelt. Dann hatte sie gesagt, sie wolle zur Toilette gehen. Und ihre Stimme war dunkel gewesen. Hinter dem hellen Ton, den sie angeschlagen hatte.
»Dann war er es, der angerufen hat«, sagte Wallander. »Da können wir ziemlich sicher sein. Auch wenn wir natürlich keine Beweise haben. Laßt uns noch einmal eine Abstimmung vornehmen, nur wir drei. Wir setzen uns in den kleinen Sitzungsraum.«
»Ich sollte eigentlich hier weitermachen«, wandte Martinsson ein. »Es ist gar nicht so einfach, so ein Bild hinzukriegen.«
»Es muß ja nicht lange dauern.«
Martinsson stand auf. Sie gingen gemeinsam zu dem kleinsten Sitzungszimmer des Präsidiums und schlossen die Tür hinter sich. Wallander erzählte von seinem Besuch im Postterminal.
»Ich hatte kaum Hoffnung. Aber ich wollte mich vergewissern.«
»Das verändert aber nicht den Ausgangspunkt«, meinte Martinsson. |479| »Daß wir nach jemandem suchen, der über gute Informationen verfügt. Verblüffend gute Informationen. Jemand, der sich Zugang zu den innersten Geheimnissen der Menschen verschaffen kann.«
»Bisher haben wir keinen Hinweis darauf, daß es Außenstehende gab, die wußten, wann und wo die Hochzeitsfotos gemacht werden sollten«, sagte Ann-Britt.
»Genau darauf müssen wir uns konzentrieren«, fügte Wallander hinzu. »Diese Ermittlung verzweigt sich in alle möglichen Richtungen. Aber jetzt haben wir endlich etwas gefunden, was einem vernünftigen Kern gleicht. Wir haben einen Täter, der mit seinen Opfern eine Gewohnheit gemeinsam hat. Er verkleidet sich. Außerdem dringt er in eine Sphäre ein, die zumindest teilweise geheim ist. Wie geht er dabei vor? Wo befindet er sich? Wie kommt er an diese Informationen?«
Dann kam er wieder auf seinen Besuch im Postterminal zu sprechen. »Ich habe nur einen gemeinsamen Nenner gefunden«, sagte er. »Isa Edengren und Sture Björklund haben denselben Briefträger. Aber darüber hinaus habe ich auf die Schnelle drei verschiedene gezählt. Plus einen, der außerhalb der Ystad-Region arbeitet. Wir können diese Theorie also abschreiben. Sich eine Konspiration zwischen Briefträgern vorzustellen, das ist absurd. Es ist schon so unklar genug.«
Martinsson reagierte zurückhaltend. »Gehen wir nicht zu schnell vor? Nehmen wir an, dieser Mann, der sich als Frau verkleidet, befindet sich irgendwo an der Peripherie dieser Ermittlung. Wir können nicht mit Sicherheit sagen, daß sie es ist, die hinter dem Ganzen steckt.«
»Du hast recht«, sagte Wallander. »Laß uns also die vier männlichen Briefträger ein wenig genauer betrachten. Plus einen, der zu Simrishamns Postdistrikt gehören muß. Die Post erleichtert uns die Aufgabe, indem sie eine Broschüre bereitstellt.«
Sie notierten die Namen und teilten sie unter sich auf. »Es besteht keine große Hoffnung«, sagte Wallander. »Aber es könnte sein, daß sie an der Theke in der Bar Fingerabdrücke finden. Leider hatten sie das Weinglas schon abgewaschen.«
Dann gingen sie dazu über, ihr provisorisches Zentrum von verschiedenen |480| Seiten zu betrachten. Was übersahen sie? Wie konnten sich Menschen überhaupt Informationen beschaffen? Indem sie Briefe öffneten oder Telefone abhörten. Aber darüber hinaus? Sie diskutierten alle Möglichkeiten, von Klatsch bis Erpressung, von E-Mail bis Fax. Aber sie gelangten zu nichts, was ihr Zentrum mit Inhalt füllen konnte. Wallander spürte, daß seine Unruhe sich wieder steigerte. Er dachte an den Brief von Mats Ekholm.
»Wir haben kein Muster«, meinte er. »Nur die Verkleidungen und die Geheimhaltung. Aber mehr nicht.«
»Es ist Information über diese Sekte gekommen«, sagte Martinsson. »Die ›Divine Movers‹.
Weitere Kostenlose Bücher