Wallander 07 - Mittsommermord
in Ann-Britts Büro. Es war leer. Er kehrte zu seinem Zimmer zurück. Die Stimmung im Polizeipräsidium war sehr gedämpft. Ebba saß schwarz gekleidet in der Anmeldung. Wallander rief bei Ann-Britt Höglund zu Hause an.
»Wie geht es mit der Rede?« fragte er.
»Mir graut davor«, antwortete sie. »Daß ich vielleicht nervös werde, zu stottern anfange, einen Kloß im Hals habe.«
»Das schaffst du schon«, beruhigte Wallander sie. »Du machst es bestimmt besser als irgendeiner von uns.«
Er blieb am Schreibtisch sitzen. Ein undeutlicher Gedanke tanzte in seinem Kopf, ohne daß er ihn zu fassen bekam. Etwas, was die Ministerin gesagt hatte? Oder der Reichspolizeichef?
Er kam nicht darauf.
Um zwei Uhr war die Sankta-Maria-Kirche am Stortorg gefüllt. Wallander hatte den Sarg mit in die Kirche getragen. Ein weißer Sarg mit einer einfachen Rosendekoration. Einige Minuten bevor die Glocken zu läuten begannen, hatte er Ylva Brink begrüßt.
»Sture kommt nicht«, sagte sie. »Er ist ein Gegner von Beerdigungen.«
»Ich weiß«, erwiderte Wallander. »Er meint, die Asche sollte am nächstbesten Ort verstreut werden.«
Wallander betrachtete die Menschen, die sich versammelt hatten. Louise würde nicht mehr erscheinen. Dennoch suchte er ihr |494| Gesicht in der Menge. Ein Männergesicht jetzt, Louis. Aber er konnte es nirgends entdecken. Bror Sundelius war da. Wallander begrüßte ihn, und Sundelius fragte ihn nach dem Fortgang der Ermittlungen.
»Wir haben den Durchbruch geschafft«, gab Wallander zurück. »Aber ich kann nicht näher darauf eingehen.«
»Hauptsache, Sie kriegen ihn«, sagte Sundelius.
Wallander spürte, daß Sundelius wirklich meinte, was er sagte. Der Mord an Svedberg empörte ihn. Plötzlich begann Wallander sich zu fragen, ob Sundelius vielleicht auch etwas von dem gewußt hatte, was Svedberg wußte. Hatte er am Ende dessen Befürchtungen geteilt?
Dieser Gedanke unterstrich noch einmal die Notwendigkeit eines erneuten Gesprächs mit Sundelius. Es war eins der Dinge, die nicht warten konnten.
Die Glocken hatten geläutet. Der Organist hatte Bach gespielt, der Pastor war erträglich gewesen, und Wallander hatte ganz vorn gesessen und eine wachsende Angst gespürt. Angst vor seinem eigenen Ende, wann es auch kommen würde. Begräbnisse waren eine Qual, und er fragte sich, ob das wirklich so sein mußte. Die Justizministerin hatte von Demokratie und Rechtssicherheit gesprochen, der Reichspolizeichef von dem Erschütternden und Tragischen. Wallander hatte sich gefragt, ob es dem Mann irgendwie gelingen würde, den Begriff bürgernahe Polizei auch in diese Rede einzuflechten. Dann fand er, daß er ungerecht war. Er hatte keine Veranlassung, den Motiven des Reichspolizeichefs zu mißtrauen. Danach war Ann-Britt Höglund an der Reihe, Wallander hatte sie noch nie in Uniform gesehen. Sie sprach mit lauter und klarer Stimme, und Wallander konnte es zu seiner eigenen Verwunderung ertragen, seine eigenen Worte zu hören. Danach wieder Musik, Defilee, Fahnen, und durch die bleigefaßten Fenster schien die sonderbar beharrliche Augustsonne.
Gegen Ende, unmittelbar vor dem Schlußlied, war Wallander plötzlich der Gedanke gekommen, der zuvor sein Bewußtsein nur gestreift hatte. Es war etwas, was der Reichspolizeichef gesagt hatte. Als er in seiner Tasche nach den Papieren suchte. Über Vertretungen. |495| Die kamen und gingen. Und deren Namen man schnell wieder vergessen hatte.
Zuerst begriff Wallander nicht, warum sich ihm diese Worte eingeprägt hatten. In seinem Unterbewußten hatte die Erinnerung eine Frage formuliert.
Hatten nicht auch Landbriefträger Vertreter?
Er verlor den Text im Gesangbuch. Seine Eingebung irritierte ihn beinah.
Doch als er aus der Kirche trat und all das Quälende vorüber war, ließ der Gedanke ihn nicht mehr los. Ein Telefonat mit Albinsson im Postterminal würde ausreichen, um ihm Klarheit zu verschaffen.
Es war nach fünf, als Wallander ins Präsidium zurückkam. Die Ministerin und der Reichspolizeichef waren bereits auf dem Weg zum Flugplatz. Wallander war nach Hause gegangen, um die stramm sitzende Uniform loszuwerden. Er suchte nach der Nummer des Postterminals. Dort nahm niemand ab. Bevor er Albinsson zu Hause anrief, duschte er und zog sich um. Er suchte eine Brille und blätterte bis zum richtigen Buchstaben. Kjell Albinsson wohnte in Rygsgård. Seine Frau meldete sich. Sie konnte Wallander mitteilen, ihr Mann spiele zur Zeit Fußball. In der
Weitere Kostenlose Bücher