Wallander 07 - Mittsommermord
Vergleich eines neuen Abdrucks mit denen, die ihnen schon vorlagen, hätten sie mit einem Schlag jeden Zweifel beseitigen können, daß sie den Täter identifiziert hatten. Daß der Mann, den sie suchten, sich als Frau verkleidete. Jetzt bestand weiterhin die vage und beunruhigende Möglichkeit, daß ihre Vermutung sich als Irrtum herausstellen könnte, daß der Mann mit der dunklen Perücke lediglich eine Etappe auf dem Weg war, nicht aber das endgültige Ziel.
Martinsson hatte verbissen mit seinen Phantombildern gekämpft. Er hatte ihnen eine große Anzahl Frisurenvorschläge auf den Tisch gelegt und sie um ihre Meinung gebeten. Wallander waren dabei die Anziehpuppen aus seiner Kindheit eingefallen. Verschiedene Kleidungsstücke konnten mit Falzen an die aus Zeitschriften ausgeschnittenen Puppen gehängt werden. Aber er konnte sich nicht erinnern, ob es auch möglich gewesen war, die Frisuren der Puppen zu ändern.
Das Problem war, daß niemand die geringste Ahnung hatte, welches die richtige sein konnte. Wallander hatte jedoch einige Polizisten mit Bildern des Gesichts ohne Perücke zu den Nachbarn Svedbergs in der Lilla Norregata geschickt. Aber alle hatten den Kopf geschüttelt. Keiner schien das Gesicht zu kennen.
Die Diskussion darüber, ein Bild des Gesichts ohne Haare in die Zeitungen zu bringen, war lang gewesen, zu lang nach Wallanders Dafürhalten. Er wollte Thurnberg bei dem Beschluß auf seiner Seite haben und hatte deshalb darauf gedrungen, ihn zu ihrer Sitzung hinzuzurufen. Die Meinungen waren äußerst geteilt. Aber Wallander bestand darauf, das Bild sofort zu veröffentlichen. Er hatte argumentiert, daß irgend jemand trotz allem das Gesicht erkennen mußte, jetzt, wo die verwirrende Perücke fort war. Er hob hervor, daß ein einziger Mensch ausreichte. Thurnberg hatte lange schweigend dagesessen, offensichtlich ohne die geringste Lust, sich zu äußern. Schließlich hatte er sich doch in die Diskussion eingemischt und Wallander seine volle Unterstützung gegeben. Das Bild sollte an die Öffentlichkeit. Und zwar so schnell wie möglich.
Sie hatten beschlossen, noch bis zum Mittwoch zu warten, dem Tag nach der Beerdigung. Aber dafür würde es auch in allen |488| schwedischen Massenmedien auf einen hervorstechenden Platz gesetzt werden.
»Alle lieben Phantombilder«, hatte Wallander gesagt. »Egal, ob das Bild ähnlich ist oder nicht. Aber es liegt etwas speziell Gräßliches, fast etwas Magisches darin, den Leuten einen unvollständigen Kopf zu präsentieren und zu hoffen, daß jemand aufschreit.«
Der Montagnachmittag war geprägt von fieberhafter Aktivität. Hansson, neben Martinsson derjenige von ihnen, der sich der neuen Technik am besten zu bedienen verstand, hatte in den verschiedenen Registern der schwedischen Polizei nach Bror Sundelius gesucht. Aber er hatte ihn natürlich nicht gefunden. In der Welt der elektronischen Datenverarbeitung war er ein unbescholtener Bürger. Sie hatten jedoch beschlossen, daß Wallander am Tag nach Svedbergs Beerdigung erneut ein Gespräch mit ihm führen sollte. Dann würde er ihn härter anfassen. Wallander erinnerte daran, daß Sundelius auch zur Beerdigung kommen würde.
Doch es war noch etwas geschehen an diesem Montagnachmittag. Kurz nach vier hatte Wallanders Telefon geklingelt. Ein Journalist von einer der überregionalen Zeitungen rief an, um ihm mitzuteilen, daß Eva Hillström Kontakt mit ihm aufgenommen habe. Die Eltern der toten Kinder wollten mit ihrer Kritik an der bisher von der Polizei geleisteten Arbeit an die Öffentlichkeit gehen. Sie seien der Meinung, daß die Polizei nicht genug getan habe. Sie fänden auch, daß sie nicht die Informationen erhielten, auf die sie ein Recht zu haben meinten. Der Journalist sagte klipp und klar, wie es war. Die Kritik würde hart sein. Eva Hillström habe bei verschiedenen Gelegenheiten gerade Wallander als den Verantwortlichen namentlich genannt; oder, besser gesagt, als den, der seiner Verantwortung nicht nachkäme. Der Artikel sollte groß aufgemacht werden und schon am nächsten Tag erscheinen. Der Journalist hatte angerufen, um Wallander die Möglichkeit zu einem Kommentar zu geben. Aber Wallander hatte dies strikt abgelehnt. Er bat darum, sich zu Wort melden zu können, wenn er gelesen hatte, welche Behauptungen die Eltern aufstellten. Er wollte Eva Hillströms Worte weder am Telefon vorgelesen noch per Fax zugeschickt bekommen. Er würde lesen, was in der Zeitung |489| stand, und wenn er dann
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