Wallander 07 - Mittsommermord
und kam auch wirklich zu dem Restaurant durch, dessen Telefon sonst meistens besetzt war. Linda hatte wenig Zeit. Sie verabredeten, daß sie am nächsten Vormittag zurückrufen würde.
»Ist alles in Ordnung?« fragte er. »Hast du dich entschieden, wohin du verreisen wirst?«
»Noch nicht. Aber das kommt schon noch.«
Das Gespräch mit Linda hatte ihm wieder Auftrieb gegeben. Er wendete sich wieder seinen Papierstapeln zu. Um halb zwölf stand Ann-Britt Höglund in der Tür.
»Ich gehe jetzt nach Hause«, sagte sie. »Es gibt da eine Reihe von Details, die ich morgen gern mit euch diskutieren möchte.«
»Einverstanden«, gab Wallander zurück.
»Ich versuche, vor acht hier zu sein. Wir können ja den Tag damit beginnen, noch einmal Larstam zu besuchen.«
»Das schieben wir ein, wenn es paßt.«
Sie ging. Wallander wartete fünf Minuten. Dann nahm er ein Bündel Dietriche aus einer Schreibtischschublade und verließ das Büro.
Er hatte sich bereits entschieden, als sie dort im Treppenhaus standen. Wenn sie nicht mitmachen wollte, würde er die Tür eben allein aufbrechen.
Da war etwas mit Åke Larstam, was ihn beunruhigte. Etwas, was er wissen wollte.
Er ging wieder in die Harmonigata. Es war zehn Minuten vor Mitternacht. Ein schwacher Ostwind hatte eingesetzt. Wallander spürte, daß der Wind einen Hauch von herbstlicher Kälte mitführte. Vielleicht nahm die lange Hitzewelle jetzt ein Ende.
|501| Er klingelte an der Gegensprechanlage. In den Fenstern im obersten Stock brannte noch immer Licht. Als keine Antwort kam, schob er die Tür auf und ging die Treppe hinauf.
Er hatte das Gefühl, wieder an einem Ausgangspunkt angelangt zu sein. Wie in der Nacht, als er zusammen mit Martinsson in Svedbergs Wohnung hinaufgegangen war. Ein Gefühl plötzlichen Unbehagens ließ ihn schaudern. Er horchte an der Tür. Alles war still. Vorsichtig öffnete er den Briefschlitz. Nichts. Nur ein vager Lichtstreifen. Er klingelte. Lange. Wartete. Klingelte erneut. Nachdem er weitere fünf Minuten gewartet hatte, holte er die Dietriche heraus.
Erst jetzt schaute er sich die Türschlösser genauer an. Zuerst wußte er nicht, was er da vor sich hatte. Dann begriff er, daß es das modernste Türschloß war, das er je gesehen hatte.
Åke Larstam war ein Mensch, der sorgfältig hinter sich abschloß.
Wallander war klar, daß es ihm nie gelingen würde, die Tür mit seinen Dietrichen zu öffnen.
Er zögerte nur einen ganz kurzen Moment, bevor er sein Handy aus der Jacke zog und Nyberg anrief.
Eine gereizte Stimme meldete sich. Wallander brauchte nicht zu fragen, ob Nyberg geschlafen hatte.
»Ich brauche deine Hilfe«, sagte er.
»Sag nicht, daß es wieder passiert ist«, stöhnte Nyberg.
»Keine Toten«, beruhigte ihn Wallander. »Ich brauche deine Hilfe beim Aufbrechen einer Tür.«
»Dazu ist doch wohl kein Kriminaltechniker nötig?«
»In diesem Fall doch.«
Nyberg knurrte. Aber er war jetzt wach. Wallander beschrieb die Schlösser und nannte ihm die Adresse. Nyberg versprach zu kommen. Wallander ging leise die Treppen hinunter. Er wollte unten auf der Straße auf Nyberg warten, ihm erklären, worum es ging. Nyberg protestierte manchmal lautstark. Wallander sah ein, daß das Risiko in diesem Fall nicht gerade gering war.
Er sah ebenso ein, daß er im Begriff war, etwas zu tun, was er nicht tun durfte.
|502| Nyberg kam nach zehn Minuten. Wallander ahnte den Schlafanzug unter der Jacke. Wie er vorhergesehen hatte, begann Nyberg sofort zu protestieren.
»Du kannst doch nicht einfach so in eine Wohnung einbrechen.«
»Ich will nur, daß du die Tür öffnest«, sagte Wallander. »Dann kannst du nach Hause gehen. Ich übernehme voll und ganz die Verantwortung. Und ich werde niemandem gegenüber erwähnen, daß du hiergewesen bist.«
Nyberg sträubte sich weiter. Doch Wallander ließ nicht locker. Schließlich kam Nyberg mit die Treppen hinauf. Er studierte die Schlösser eingehend.
»Das glaubt dir niemand«, sagte er. »Niemand wird dir glauben, daß du es allein geschafft hast, hier einzubrechen.«
Dann fing er an zu arbeiten.
Um zehn vor eins gab die Tür endlich nach.
|503| 32
Als erstes registrierte er den Geruch.
Er war in den Flur getreten, stand vollkommen reglos, horchte, und da bemerkte er ihn. Nyberg war vor der Tür stehengeblieben. Der Geruch, der Wallander umgab, war sehr stark.
Dann wurde ihm klar, daß es an der stickigen Luft lag.
Die Wohnung war ganz einfach ungelüftet und roch
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