Wallander 07 - Mittsommermord
wartete.
»Vielleicht kann man sagen, daß das der auffälligste Zug an ihm war. Daß er um keinen Preis bemerkt werden wollte. Und er war ein Mensch, der nie einer Tür den Rücken zuwandte.«
»Was meinen Sie damit?«
»Daß er immer sehen wollte, wer hereinkam. Und wer ging.«
Wallander ahnte, was Albinsson sagen wollte. Er blickte zur Uhr. Es war neunzehn Minuten vor vier. Er rief bei Ann-Britt Höglund an.
»Sitzt du noch mit Sundelius zusammen?«
»Ja.«
»Dann treffen wir uns im Flur.«
Wallander stand auf.
»Kann ich jetzt nach Hause fahren und schlafen?« fragte Albinsson. »Meine Frau macht sich bestimmt Sorgen.«
|515| »Rufen Sie sie an. Telefonieren Sie auf Staatskosten, so lange Sie möchten. Aber nach Hause fahren können Sie leider noch nicht.«
Wallander ging auf den Flur hinaus und schloß die Tür hinter sich. Ann-Britt Höglund wartete schon.
»Was sagt Sundelius?«
»Er bestreitet, jemals etwas von Åke Larstam gehört zu haben. Er wiederholt, daß er und Svedberg nie etwas anderes getan haben, als Sterne anzusehen und einen Heilpraktiker zu besuchen. Er ist ausgesprochen grantig. Ich glaube, er mag nicht mit weiblichen Polizisten zu tun haben.«
Wallander nickte nachdenklich. »Ich glaube, wir können ihn nach Hause schicken«, meinte er. »Er kannte Larstam sicher nicht. Mitten in dem Ganzen haben wir zwei Sorten Geheimnisse. Larstam bricht in die versiegelte Sphäre anderer Menschen ein. Svedberg hatte ein Geheimnis, das er vor Sundelius verbarg.«
»Was sollte das gewesen sein?«
»Denk doch mal nach!«
»Du meinst also, daß sich hinter dem Ganzen ein Dreiecksdrama verbirgt?«
»Nicht dahinter. Mitten darin.«
Sie nickte. »Ich schicke ihn nach Hause. Wann sollen Hansson und die anderen abgelöst werden?«
Wallander hatte seinen Entschluß bereits gefaßt. »Sie sollen bleiben. Wir gehen in die Wohnung. Åke Larstam kommt diese Nacht bestimmt nicht mehr nach Hause. Er versteckt sich. Fragt sich nur, wo. Wenn wir die Antwort überhaupt finden, finden wir sie in seiner Wohnung.«
Er kehrte ins Sitzungszimmer zurück. Albinsson telefonierte noch mit seiner Frau. Wallander machte ihm ein Zeichen, das Gespräch zu beenden.
»Ist Ihnen noch etwas eingefallen?« fragte er dann. »Können Sie sich vorstellen, wo Åke Larstam sich versteckt hält?«
»Ich weiß es nicht. Aber das ist vielleicht noch eine Art, ihn zu beschreiben.«
»Wie?«
|516| »Daß er ein Mann ist, der ständig nach Verstecken Ausschau hält.«
Wallander nickte. »Ich lasse Sie jetzt nach Hause bringen«, sagte er. »Aber falls Ihnen noch etwas einfällt, rufen Sie uns bitte an.«
Wallander begleitete Albinsson hinaus und sorgte dafür, daß eine Streife ihn nach Hause fuhr. Dann suchte er Nyberg und gab ihm Bescheid, daß sie jetzt in die Wohnung gingen.
»Diesmal werden wir schnell reinkommen«, sagte Nyberg. »Ich habe ja schon trainiert an der Tür.«
Um Viertel nach vier betraten sie Åke Larstams Wohnung. Wallander versammelte sie vor der Tür des schalldichten Raums.
»Wir suchen vor allem auf zwei Fragen Antwort«, sagte er. »Wo befindet er sich? Wo hat er ein Versteck? Wo können wir ihn ausräuchern? Die andere Frage ist klar für uns alle: Bereitet er neue Morde vor? Das ist, wie gesagt, das Wichtigste. Außerdem wäre es gut, wenn jemand ein Foto von ihm fände.«
Dann nahm er Nyberg beiseite. »Fingerabdrücke«, sagte er. »Thurnberg macht sich Sorgen. Wir brauchen etwas, was Larstam mit einem Schlag an alle Verbrechen bindet. Zumindest an das Reservat und Svedbergs Wohnung.«
»Ich werde tun, was ich kann«, versprach Nyberg.
»Das reicht vielleicht nicht«, sagte Wallander. »Ruf, wenn nötig, den Reichspolizeichef an.«
Er ging in den schallisolierten Raum und setzte sich aufs Bett. Hansson erschien in der Tür. Wallander machte ihm ein Zeichen, daß er im Augenblick nicht gestört werden wollte. Hansson verschwand.
Warum baut man ein schalldichtes Zimmer? überlegte er. Um keine Geräusche eindringen zu lassen. Oder um Geräusche nicht nach außen dringen zu lassen, wo sie von anderen gehört werden können. Aber warum in einer Stadt wie Ystad? Wo wenig Verkehr ist? Er blickte sich im Zimmer um. Gleichzeitig merkte er, daß das Bett sehr hart war. Er stand auf und hob das Laken an. Das Bett hatte keine Matratze. Der Mann, der hier schlief, lag direkt auf der Holzunterlage. Ein selbstquälerischer Mensch, dachte er. Warum? Er ging auf die Knie und schaute unters Bett.
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