Wallander 07 - Mittsommermord
Moment«, sagte sie. »Ich bin noch nicht richtig fertig. Ich finde nämlich, daß etwas komisch ist an dieser Umschulung zum Briefträger.«
»Neulich war da doch dieser Bischof, der anfing, Taxi zu fahren«, sagte Hansson. »So was kommt vor.«
»Aber trotzdem«, beharrte sie. »Von diesem Bischof habe ich auch gehört. Er war fünfundfünfzig. Vielleicht hat man in dem Alter das Bedürfnis, noch einmal etwas Neues anzufangen, bevor das Leben zu Ende geht. Aber Åke Larstam läßt sich umschulen, ehe er vierzig ist.«
Wallander ahnte, daß sie auf etwas gekommen war, was wichtig sein konnte. »Du meinst, es kann etwas passiert sein?«
»Warum hört er auf? Warum steigt er aus? Für mich heißt das, es muß etwas Entscheidendes passiert sein. Was einen plötzlichen Aufbruch bewirkt.«
»Ein Ingenieur«, sagte Wallander. »Der plötzlich alle Brücken hinter sich abbricht und fortgeht.«
»Er ist zur gleichen Zeit umgezogen«, unterstrich Thurnberg. »Ann-Britt kann also recht haben.«
»Ich nehme mir die Sache vor«, sagte Wallander. »Ich rufe dieses Ingenieurbüro an. Wie hieß es noch?«
|529| Martinsson blätterte. »Strands Beratendes Ingenieurbüro. Er hat 1985 aufgehört. Damals war er also dreiunddreißig.«
»Wir fangen hiermit an«, sagte Wallander. »Ihr anderen müßt weiter in dem Material suchen, das vor euch auf dem Tisch liegt. Wo kann er sich aufhalten? Wer ist sein nächstes Opfer?«
»Sollten wir nicht Kjell Albinsson wieder herholen?« schlug Thurnberg vor. »Es kann ja sein, daß ihm noch etwas einfällt. Wenn er unseren Diskussionen folgt.«
»Ich bin deiner Meinung«, sagte Wallander. »Wir holen ihn wieder her. Jemand muß außerdem Larstam in unseren Registern suchen. Es ist offenbar sein richtiger Name.«
»Ich glaube nicht, daß wir ihn da finden«, meinte Martinsson. »Ich habe schon nach ihm gesucht.«
Wallander fragte sich verwundert, wann Martinsson dafür Zeit gefunden hatte. Dann sagte er sich, daß nur eine Antwort möglich war. Martinsson hatte nicht die Wahrheit gesagt, als er behauptete, eine Stunde geschlafen zu haben. Er hatte durchgearbeitet wie Wallander selbst. Er hatte aus Fürsorge gelogen.
Wallander war unsicher, ob er gerührt oder ärgerlich werden sollte. Am besten keins von beiden. »Fangen wir an«, sagte er. »Haben wir irgendwo die Telefonnummer von diesem Ingenieurbüro?«
Er wählte die Nummer, die ihm jemand zuschob, und bekam eine automatische Ansage mit einer neuen Nummer. Diese gehörte zu einer Adresse in Vaxholm außerhalb von Stockholm. Wallander versuchte es erneut. Diesmal mit Erfolg.
»Strands Ingenieurbüro«, sagte eine weibliche Stimme.
»Ich heiße Kurt Wallander und bin Kriminalbeamter in Ystad. Ich hätte gern ein paar Auskünfte über einen früheren Angestellten.«
»Um wen handelt es sich?«
»Einen Ingenieur namens Åke Larstam.«
»Bei uns ist niemand mit diesem Namen angestellt.«
»Das habe ich gerade gesagt. Ein früherer Angestellter. Hören Sie bitte richtig zu.«
»Ich verbitte mir diesen Ton. Wie soll ich wissen, daß Sie Polizeibeamter sind? Sie können mir doch sonstwas erzählen.«
|530| Wallander war drauf und dran, das Telefon aus der Wand zu reißen. Doch es gelang ihm, sich zu beruhigen.
»Das stimmt«, sagte er. »Sie können nicht wissen, wer ich bin. Aber ich benötige dringend diese Auskünfte. Åke Larstam hat 1985 bei ihnen aufgehört.«
»Das war vor meiner Zeit. Da sprechen Sie besser mit Herrn Persson.«
»Damit es keine weiteren Mißverständnisse gibt, gebe ich Ihnen meine Telefonnummer. Falls er einen Kontrollruf zum Polizeipräsidium in Ystad machen möchte.«
Sie schrieb die Nummer auf.
»Es ist äußerst dringend«, sagte Wallander. »Ist Herr Persson gerade zu sprechen?«
»Er ist in einer Besprechung mit einem Bauunternehmen. Aber ich bitte ihn, Sie anzurufen, wenn er frei ist.«
»Das geht nicht«, sagte Wallander. »Er soll die Sitzung unterbrechen und sofort zurückrufen.«
»Ich werde ihm sagen, daß es dringend ist. Mehr kann ich nicht tun.«
»Sie können ihm noch eins bestellen: Wenn er nicht binnen drei Minuten zurückruft, wird ein Hubschrauber der Stockholmer Polizei auf Ihrem Dach landen.«
Wallander legte auf. Alle im Raum sahen ihn an. Er seinerseits sah Thurnberg an, der plötzlich einen Lachanfall bekam.
»Tut mir leid«, sagte Wallander. »Aber ich hatte keine Wahl.«
Thurnberg nickte. »Ich habe nichts gehört. Absolut nichts.«
Nach weniger als zwei Minuten
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