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Wallander 07 - Mittsommermord

Wallander 07 - Mittsommermord

Titel: Wallander 07 - Mittsommermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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an die weiße Wand ein paar Meter hinter dem umgestürzten Stuhl gespritzt.
    Wallander stand mit pochendem Herzen und nahm das Bild in sich auf. Er würde es immer in sich tragen. Svedberg tot, sein zerschossener Kopf, ein umgestürzter Stuhl, ein Gewehr auf einem roten Teppich mit eingewebten hellblauen Rändern.
    Ein wirrer Gedanke blitzte in Wallanders Kopf auf. Von jetzt an würde Svedberg nie wieder von seiner panischen Angst vor Wespen gequält werden.
    »Was ist hier passiert?« fragte Martinsson. Seine Stimme klang brüchig. Wallander merkte, daß er den Tränen nahe war. Er selbst war von einer solchen Reaktion noch weit entfernt. Er konnte nicht in Tränen ausbrechen über etwas, was er nicht verstand. Und er verstand nicht, was er vor sich sah. Svedberg tot? Das war absurd. Svedberg war ein Kriminalbeamter in den Vierzigern, der morgen wieder auf seinem üblichen Platz sein würde, wenn sie sich zu einer ihrer Besprechungen trafen. Svedberg mit seiner Glatze, seiner Angst vor Wespen und seiner Gewohnheit, jeden Freitagabend in aller Einsamkeit im Keller des Polizeipräsidiums in der Sauna zu sitzen.
    Es konnte ganz einfach nicht Svedberg sein, der da lag. Es war ein anderer Mann, der ihm glich.
    Instinktiv warf Wallander einen Blick auf seine Uhr. Es war neun Minuten nach zwei. Vielleicht blieben sie ein paar Minuten in der Türöffnung stehen. Dann kehrten sie in den Flur zurück. Wallander knipste eine Wandleuchte an. Er merkte, daß Martinsson zitterte. Er fragte sich, wie er selbst wohl aussah.
    |65| »Wir brauchen die volle Besetzung«, sagte er.
    Auf einem Tisch im Flur stand ein Telefon. Aber kein Anrufbeantworter.
    Martinsson nickte und wollte den Hörer abnehmen. Doch Wallander hielt ihn zurück.
    »Warte«, sagte er. »Laß uns überlegen.«
    Aber was gab es denn zu überlegen? Vielleicht hoffte er auf ein Wunder? Daß Svedberg plötzlich hinter ihnen stände und nichts von dem, was sie gerade gesehen hatten, Realität war?
    »Hast du Lisa Holgerssons Privatnummer im Kopf?« fragte er. Martinsson besaß ein erstaunliches Gedächtnis für Adressen und Telefonnummern.
    Bisher waren es zwei gewesen, die dieses gute Gedächtnis hatten. Martinsson und Svedberg. Und jetzt war nur noch der eine da.
    Martinsson nannte die Nummer. Er stotterte. Wallander tippte die Ziffern ein. Lisa Holgersson meldete sich. Das Telefon stand wahrscheinlich an ihrem Bett.
    »Hier ist Wallander. Es tut mir leid, daß ich dich wecke.«
    Sie schien sofort hellwach zu sein.
    »Du mußt herkommen«, sagte er. »Ich bin zusammen mit Martinsson in Svedbergs Wohnung in der Lilla Norregata. Svedberg ist tot.«
    Er hörte sie aufstöhnen. »Was ist passiert?«
    »Ich weiß nicht. Er ist erschossen worden.«
    »Das ist ja schrecklich. Also Mord?«
    Wallander dachte an das Gewehr auf dem Fußboden. »Keine Ahnung. Mord oder Selbstmord. Ich weiß nicht.«
    »Hast du Nyberg Bescheid gesagt?«
    »Ich wollte zuerst dich anrufen.«
    »Ich ziehe mich nur an. Dann komme ich.«
    »Wir rufen in der Zwischenzeit Nyberg an.«
    Wallander drückte mit einem Finger die Gabel herunter. Dann reichte er Martinsson den Hörer. »Nyberg«, sagte er. »Fang mit ihm an.«
    Man konnte von zwei Seiten ins Wohnzimmer gelangen. Während Martinsson telefonierte, nahm Wallander den Umweg durch |66| die Küche. Eine Schublade lag auf dem Boden. Die Tür eines Eckschranks stand offen. Papiere und Quittungen waren auf dem Fußboden verstreut.
    Wallander registrierte alles. Im Hintergrund hörte er, wie Martinsson ihrem Kriminaltechniker Nyberg erklärte, was geschehen war. Wallander ging weiter. Er achtete genau darauf, wohin er trat. Er kam in Svedbergs Schlafzimmer. Aus einer Kommode waren alle Schubladen herausgezogen. Das Bett war ungemacht, und die Decke lag auf dem Fußboden. Mit einem Gefühl grenzenloser Trauer sah er, daß Svedberg in geblümter Bettwäsche geschlafen hatte. Das Bett wirkte wie eine Sommerwiese. Vor dem Wohnzimmer befand sich ein kleines Arbeitszimmer mit Bücherregalen und einem Schreibtisch. Svedberg war ein ordnungsliebender Mensch gewesen. Sein Schreibtisch im Präsidium war stets pedantisch aufgeräumt. Jetzt waren seine Bücher aus den Regalen gerissen, die Schreibtischschubladen ausgekippt. Überall lag Papier.
    Wallander kam wieder zum Wohnzimmer. Diesmal von der anderen Seite. Jetzt stand er in der Nähe des Gewehrs, und Svedbergs verdrehter Körper lag im Hintergrund. Er betrachtete die Szene. Jedes einzelne Detail des

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