Wallander 07 - Mittsommermord
wenn er zu Hause war? Wallander drückte gegen die Haustür. Sie war verschlossen. Den Kode für das Türschloß kannte er nicht. Aber die Türhälften klafften einen kleinen Spalt auseinander. Wallander zog sein Taschenmesser hervor. Sah sich um. Dann schob er die kräftigste Klinge zwischen die Türhälften, und die Tür ließ sich öffnen.
Svedberg wohnte ganz oben, im zweiten Stock. Wallander war außer Atem, als er ankam. Er horchte an der Tür. Alles war still. Dann öffnete er den Briefkastenschlitz. Nichts. Er klingelte. Das Klingeln hallte in der Wohnung wider.
Er klingelte dreimal. Dann schlug er an die Tür.
Wallander versuchte nachzudenken. Außerdem wollte er nicht allein sein. Er tastete an seiner Jackentasche. Sein Handy lag zu Hause auf dem Küchentisch. Er ging die Treppe hinunter und klemmte einen Stein zwischen die Türhälften. Dann lief er zu den Telefonzellen auf dem Stortorg. Er wählte Martinssons Privatnummer. Martinsson nahm selbst ab.
»Es tut mir leid, daß ich dich wecke«, sagte Wallander. »Aber ich brauche deine Hilfe.«
»Was ist los?«
|62| »Hast du Svedberg noch erreicht?«
»Nein.«
»Dann muß etwas passiert sein.«
Martinsson schwieg. Wallander merkte, daß er jetzt richtig wach geworden war.
»Ich warte auf dich vor dem Haus in der Lilla Norregata.«
»Zehn Minuten«, antwortete Martinsson, »höchstens.«
Wallander ging zu seinem Wagen und öffnete den Kofferraum. In einer schmutzigen Plastiktüte lag Werkzeug. Er nahm ein kräftiges Brecheisen heraus und kehrte zu Svedbergs Haus zurück.
Nach neun Minuten bremste Martinsson vor dem Haus. Wallander sah, daß er unter dem Jackett die Schlafanzugjacke angelassen hatte.
»Was könnte passiert sein?«
»Ich weiß nicht.«
Sie stiegen die Treppe hinauf. Wallander nickte Martinsson zu, die Türklingel zu betätigen. Noch immer kam keine Reaktion.
Sie sahen sich an.
»Vielleicht hat er einen Reserveschlüssel in seinem Büro?«
Wallander schüttelte den Kopf. »Das dauert zu lange.«
Martinsson trat einen Schritt zur Seite. Er wußte, was jetzt kam.
Wallander hob das Brecheisen.
Dann stemmte er die Tür auf.
|63| 4
Die Nacht auf den 9. August 1996 wurde eine der längsten in Kurt Wallanders Leben. Als er in der Morgendämmerung aus dem Haus in der Lilla Norregata wankte, war es ihm noch nicht gelungen, sich von dem Gefühl zu befreien, mitten in einem unbegreiflichen Alptraum gefangen zu sein.
Doch alles, was er in dieser Nacht hatte sehen müssen, war Wirklichkeit. Und diese Wirklichkeit war entsetzlich. In seinem Polizistenleben war er häufig Zeuge von Szenen geworden, die von einem blutigen und brutalen Drama sprachen. Aber es war ihm noch nie so nahegegangen wie diesmal. Als er Svedbergs Wohnungstür aufbrach, wußte er nicht, was ihn erwartete. Aber er hatte schon von dem Augenblick an, in dem er das Brecheisen ansetzte, das Schlimmste befürchtet. Und er hatte recht behalten.
Sie waren lautlos in den Flur getreten, als seien sie auf dem Weg in feindliches Territorium. Martinsson war dicht hinter ihm. Im Flur brannte kein Licht, doch das Licht aus dem Wohnungsinneren schlug ihnen entgegen. Einen kurzen Moment verharrten sie. Wallander hörte Martinsson hinter sich stoßweise atmen. Dann näherten sie sich dem Wohnzimmer. In der Türöffnung fuhr Wallander so heftig zurück, daß er gegen Martinsson prallte. Dieser beugte sich vor, um sehen zu können, was Wallander gesehen hatte.
Hinterher sollte Wallander sich an Martinssons Reaktion als an ein Wimmern erinnern. Er würde es nie vergessen. Martinsson, der wimmerte wie ein Kind angesichts des Unfaßbaren, das er vor sich auf dem Fußboden sah.
Da lag Svedberg. Ein Bein hing über der zerbrochenen Lehne eines umgestürzten Stuhls. Der Körper war eigentümlich verdreht, als habe Svedberg kein Rückgrat.
Wallander stand vollkommen unbeweglich in der Türöffnung, |64| von Entsetzen gelähmt. In dem Augenblick gab es keine Unklarheit. Der da lag, war Svedberg. Und er war tot. Der Mann, mit dem er so viele Jahre hindurch zusammengearbeitet hatte, lag tot in verdrehter Stellung auf dem Fußboden. Svedberg existierte nicht mehr. Er würde nie mehr an seinem üblichen Platz sitzen, an einer der Längsseiten des Tischs in einem der Sitzungsräume, und sich mit dem Bleistiftende die Glatze kratzen.
Svedberg hatte keine Glatze mehr. Sein Kopf war zur Hälfte weggesprengt.
Ein Stück von ihm entfernt lag eine doppelläufige Schrotflinte. Das Blut war bis
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