Wallander 07 - Mittsommermord
kennengelernt.
»Er hatte eine Cousine, die Ylva Brink heißt und Hebamme ist. Sonst weiß ich von niemandem.«
Draußen im Flur war Nybergs Stimme zu hören.
|69| »Ich bleibe hier noch ein paar Minuten sitzen«, sagte Lisa Holgersson.
Wallander ging zu Nyberg hinaus, der sich die Gummistiefel von den Füßen trat.
»Was ist denn los, verdammich?«
Nyberg war ein fähiger Kriminaltechniker. Aber er war ein mürrischer Mann, und es konnte schwer sein, mit ihm zusammenzuarbeiten. Er schien nicht erfaßt zu haben, daß es sich um einen Kollegen handelte. Einen toten Kollegen. Vielleicht hatte Martinsson vergessen, das zu sagen?
»Weißt du, wo du bist?« fragte Wallander vorsichtig.
Nyberg sah ihn gereizt an. »Ich weiß, daß ich zu einer Wohnung in der Lilla Norregata gerufen worden bin«, erwiderte er. »Aber Martinsson war reichlich durcheinander, als er anrief. Was ist denn los?«
Wallander sah ihn ernst an. Nyberg bemerkte seinen Blick und verstummte.
»Es ist Svedberg«, sagte Wallander. »Er ist tot. Es sieht so aus, als sei er ermordet worden.«
»Kalle?« fragte Nyberg ungläubig.
Wallander nickte und fühlte den Kloß im Hals wachsen. Nyberg war einer der wenigen, die Svedberg mit seinem Vornamen angeredet hatten. Er hieß Karl Evert. Aber Nyberg hatte Kalle gesagt.
»Er liegt da drin«, fuhr Wallander fort. »Er ist mit einer Schrotflinte erschossen worden. Direkt ins Gesicht.«
Nybergs Gesicht verzog sich zu einer Grimasse.
»Ich brauche dir nicht zu erzählen, wie es aussieht.«
»Nein«, antwortete Nyberg. »Das brauchst du nicht.«
Nyberg ging hinein. Auch er zuckte in der Türöffnung zurück. Wallander wartete einen Augenblick, als wolle er Nyberg Gelegenheit geben zu begreifen, was er vor sich sah. Dann trat er zu ihm. »Ich habe schon jetzt eine Frage«, sagte er. »Eine entscheidende Frage. Du siehst, daß das Gewehr mindestens zwei Meter vom Körper entfernt liegt. Hätte es dort landen können, wenn Svedberg Selbstmord begangen hätte?«
Nyberg überlegte. Dann schüttelte er den Kopf. »Nein«, sagte |70| er, »unmöglich. Ein Gewehr, das man in den Händen hält und gegen sich selbst richtet, kann nicht so weit geschleudert werden. Das ist absolut unmöglich.«
Für einen Augenblick empfand Wallander ein diffuses Gefühl von Erleichterung. Svedberg hatte sich also nicht selbst erschossen.
Im Flur sammelten sich Leute. Der Arzt war erschienen. Und Hansson. Einer der Techniker packte seine Tasche aus.
»Hört einen Augenblick her«, sagte Wallander. »Da drinnen liegt Kriminalinspektor Svedberg. Er ist tot. Und er ist ermordet worden. Ich will euch darauf vorbereiten, daß es ein schrecklicher Anblick ist. Wir alle kannten ihn. Und wir trauern um ihn. Er war unser Kollege und Freund. Das macht alles um so schwerer.«
Er verstummte. Er hatte das Gefühl, eigentlich noch mehr sagen zu müssen. Aber ihm fehlten die Worte. Er kehrte zurück in die Küche, während Nyberg und seine Techniker sich an die Arbeit machten. Lisa Holgersson saß noch immer auf dem blauen Stuhl.
»Ich muß seine Cousine anrufen«, sagte sie. »Wenn sie nun seine nächste Verwandte ist.«
»Das kann ich machen«, sagte Wallander. »Ich kenne sie.«
»Gib mir eine Übersicht. Was ist eigentlich passiert?«
»Dazu brauchen wir Martinsson. Ich hole ihn.«
Wallander ging ins Treppenhaus. Die Tür der Wohnung gegenüber war angelehnt. Er klopfte und trat ein. Martinsson befand sich mit vier weiteren Personen im Wohnzimmer. Eine von ihnen war vollständig bekleidet, die übrigen trugen Morgenröcke. Zwei Frauen und zwei Männer. Wallander gab Martinsson ein Zeichen, mitzukommen.
»Wir müssen Sie bitten, so lange zu warten«, sagte er.
Sie gingen in die Küche. Martinsson war sehr bleich.
»Laß uns ganz von vorne anfangen«, sagte Wallander. »Wann hat jemand Svedberg zuletzt gesehen?«
»Ob ich der letzte war, weiß ich nicht«, sagte Martinsson. »Aber ich habe ihn Mittwoch am Vormittag im Eßraum gesehen. Ungefähr um elf.«
»Wie wirkte er da?«
|71| »Weil mir nichts an ihm aufgefallen ist, wird er wie immer gewesen sein.«
»Dann hast du mich am Nachmittag angerufen. Wir verabredeten für Donnerstag früh eine Besprechung.«
»Ich bin gleich nach unserem Telefongespräch zu Svedbergs Zimmer gegangen. Er war nicht da. In der Anmeldung sagten sie, er habe Feierabend gemacht.«
»Wann soll das gewesen sein?«
»Danach habe ich nicht gefragt.«
»Was hast du dann gemacht?«
»Ich habe bei
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