Wallander 07 - Mittsommermord
davon ausgehen, daß sie nicht zu knapp bemessen ist. Die geheimsten Gedanken eines Massenmörders verkaufen sich bestimmt gut.«
Wallander schüttelte entrüstet den Kopf. »Es ist so ekelhaft, daß einem schlecht werden könnte.«
|592| »Vielleicht wird er ein reicher Mann. Das ist mehr, als man von uns behaupten kann.«
»Verbrechen kann sich in vielerlei Hinsicht auszahlen.«
Sie stand auf. »Ich wollte nur, daß du es weißt«, sagte sie. »Sonst nichts.«
In der Tür drehte sie sich noch einmal um. »Schöne Reise, wohin du auch fährst.«
Sie verschwand. Wallander dachte nach über das, was sie erzählt hatte, ihre Scheidung und das Buch des Mörders. An seine Empörung. Und an seinen Blutdruck.
Er hatte vorgehabt, das Präsidium zu verlassen, sobald er fertig war. Aber jetzt blieb er noch sitzen. Die Ereignisse von vor zwei Monaten drängten sich wieder in seinen Kopf.
Es war ihnen gelungen, Larstam zu fassen, bevor er zum neunten Mal tötete. Hinterher waren alle, die mit ihm in Kontakt kamen, überrascht von seinem bescheidenen und zurückhaltenden Wesen. Sie hatten ein Monster erwartet, und sie hatten, wenn man seine Taten zugrunde legte, auch ein Monster gefaßt. Aber er war kein Mensch, den Sture Björklund karikieren und anschließend seinen Auftraggebern in der internationalen Horrorfilm-Industrie vorschlagen konnte. Wallander hatte zuweilen gedacht, daß Åke Larstam der gewöhnlichste Mensch war, den er je getroffen hatte.
Er hatte den ausgedehnten Verhören mit Larstam viele Tage gewidmet. Häufig hatte er dabei gedacht, daß Åke Larstam nicht nur seiner Umwelt unbegreiflich war, sondern auch sich selbst. Er antwortete offen und ehrlich auf Wallanders Fragen. Dennoch erfuhren sie im Grunde genommen überhaupt nichts über ihn.
»Warum haben Sie sie getötet?« hatte Wallander gefragt. »Die drei Jugendlichen draußen im Naturreservat. Sie hatten ihre Briefe geöffnet und ausspioniert, daß sie ein Fest feiern wollten. Da haben Sie auf die drei gewartet und sie erschossen.«
»Kann man ein besseres Ende finden als in dem Augenblick, wo das Leben am allerschönsten ist?«
»Haben Sie sie deshalb getötet? Um ihnen eine Wohltat zu erweisen?«
»Ich glaube, ja.«
|593| »Sie glauben? Sie müssen es doch wissen. Sie haben alles geplant.«
»Man kann doch planen, auch wenn man nur glaubt.«
»Sie sind in Europa herumgereist und haben Postkarten verschickt. Sie haben ihre Autos versteckt. Sie haben ihre Körper versteckt. Warum?«
»Ich wollte nicht, daß sie entdeckt wurden.«
»Aber warum haben Sie sie dann auf diese Art und Weise vergraben? So, daß Sie sie wieder hervorholen konnten?«
»Ich wollte die Möglichkeit dazu haben.«
»Aber warum?«
»Ich weiß es nicht. Um gesehen zu werden. Ich weiß nicht.«
»Sie haben sich die Mühe gemacht, nach Bärnsö zu fahren und Isa Edengren zu töten. Warum konnten Sie sie nicht am Leben lassen?«
»Man soll das, was man sich vorgenommen hat, zu Ende bringen.«
Manchmal hatten die Verhöre einen Punkt erreicht, an dem Wallander es nicht mehr aushielt. Dann hatte er den Raum verlassen und gedacht, daß es nichts anderes war als ein Monster, das dort saß, trotz des freundlichen Lächelns und des bescheidenen Auftretens. Dann hatte er sich gezwungen, zurückzugehen, hatte sich überwunden und weitergemacht. Sie hatten von dem Brautpaar gesprochen, dessen Geheimnis er ausspioniert hatte. Und das er nicht hatte leben lassen können, weil die beiden ein Glück ausstrahlten, das er nicht hatte ertragen können.
Schließlich hatten sie über Svedberg gesprochen. Über die lange und komplizierte Liebesgeschichte, die sich im geheimen abgespielt hatte. Das Dreiecksdrama, das auch Bror Sundelius umfaßte, der nichts davon gewußt hatte, daß Svedberg ihn mit einem anderen Mann betrog. Sie hatten von Stridh gesprochen, der die Geschichte gekannt und damit gedroht hatte, sie auffliegen zu lassen. Sie hatten über Svedbergs Angst gesprochen,nachdem er wußte, daß der Mann, den er seit zehn Jahren kannte, vielleicht hinter dem Verschwinden der Jugendlichen steckte. Sie hatten sogar über das Teleskop gesprochen, das Larstam in Björklunds Schuppen gestellt hatte. Als Ablenkungsmanöver, als Spur ins Leere.
|594| Während der ausgedehnten Verhöre hatte Wallander oft das Gefühl, daß er keine vollständigen Antworten bekam. Alles, was Larstam sagte, war vage und blieb in der Schwebe. Er war stets freundlich, entschuldigte sich, wenn er meinte,
Weitere Kostenlose Bücher