Wallander 07 - Mittsommermord
Nacht gehabt hatte, aufzuschreiben. Doch er legte den Stift weg, stand auf und trat ans Fenster. Es war ein schöner Augustmorgen. Das Gefühl, daß er irgend etwas im Zusammenhang mit Svedbergs Tod übersehen hatte, stellte sich von neuem ein. Nyberg hatte den Eindruck gehabt, das Ganze sei arrangiert. Aber warum? Und von wem? Am liebsten wäre es Wallander gewesen, wenn es sich um einen normalen Einbruch gehandelt hätte, der ein schreckliches Ende genommen hatte. Damit sie so schnell wie möglich alle übrigen Alternativen abschreiben konnten. Ein Mann, der einen Polizisten erschießt und dann das Gewehr wegwirft, das ließ auf jemanden schließen, der über wenig Selbstkontrolle verfügte. Aus Erfahrung wußte Wallander, daß ein so gearteter Täter sich leichter fassen ließ als andere. Im besten Fall würden sie Fingerabdrücke finden, die sie auf direktem Weg über irgendein Register zum Ziel führten.
Er kehrte an seinen Schreibtisch zurück und schrieb auf, daß ein vermutlich wertvolles Teleskop vermißt wurde. Danach beschloß er, unmittelbar nach der Pressekonferenz Svedbergs Cousin in der Nähe von Hedeskoga zu besuchen. Danach würde er noch einmal in die Wohnung gehen. Außerdem gab es vermutlich Keller- und Speicherräume.
Er suchte Sture Björklunds Telefonnummer heraus. Erst nach längerem Klingeln wurde abgenommen. Der Mann meldete sich mit seinem Namen.
»Zunächst möchte ich Ihnen mein Beileid aussprechen«, begann Wallander.
Sture Björklunds Stimme klang angespannt und wie von weit her. »Vielleicht sollte ich das gleiche tun. Ich nehme an, Sie kannten meinen Cousin besser als ich. Ylva rief mich heute früh an und berichtete, was passiert ist.«
»Es ist unvermeidlich, daß die Massenmedien eine große Sache daraus machen«, fuhr Wallander fort.
»Ich verstehe. Es ist übrigens das zweite Mal in unserer Familiengeschichte, daß jemand einem Mord zum Opfer fällt.«
»Tatsächlich?«
»Im Jahre 1847, um genau zu sein am 12. April, wurde der Bruder |99| von Karl Everts Ururgroßvater am Rande von Eslöv mit einer Axt erschlagen. Der Mörder war ein Gardist namens Brun, der aufgrund verschiedener Vergehen seinen unehrenhaften Abschied von der Truppe bekommen hatte. Es war Raubmord. Unser Verwandter hatte mit Viehhandel eine Menge Geld verdient.«
»Und was geschah weiter?« fragte Wallander und verbarg seine Ungeduld.
»Die Polizeibehörde, die wohl lediglich aus einem Provinzialstaatsanwalt und seinem Helfer bestand, leistete vorbildliche Arbeit. Brun wurde ein paar Tage später festgenommen, als er versuchte, sich nach Dänemark abzusetzen. Er wurde später zum Tode verurteilt. Und tatsächlich hingerichtet. Als Oscar I. den Thron bestieg, schaffte er als erstes ein paar Todesurteile vom Tisch, die liegengeblieben waren, weil Karl XV. sich geweigert hatte, sie zu unterschreiben. Oscar I. feierte seine Thronbesteigung damit, daß er vierzehn bis dahin ruhende Todesurteile vollstrecken ließ. Brun wurde also geköpft. Und zwar in Malmö.«
»Eine merkwürdige Geschichte.«
»Vor ein paar Jahren habe ich ein wenig Familienforschung betrieben. Aber die Geschichte von dem Gardisten Brun und dem Mord in Eslöv war natürlich schon vorher bekannt.«
»Wenn es Ihnen recht ist, würde ich Sie gern noch heute treffen und mit ihnen sprechen.«
Wallander hatte das Gefühl, als werde Sture Björklund auf einmal wachsam.
»Worüber denn?«
»Wir versuchen nur, uns ein möglichst deutliches Bild von Karl Evert zu machen.«
Es war ein ungewohntes und fremdes Gefühl für Wallander, Svedbergs Vornamen zu benutzen.
»Ich kannte ihn fast gar nicht. Außerdem muß ich heute nachmittag nach Kopenhagen.«
»Es ist dringend, und es wird nicht lange dauern.«
Wallander wartete.
»Um welche Zeit?«
»Würde kurz nach zwei passen?«
»Dann rufe ich in Kopenhagen an und sage meinen Besuch ab.«
|100| Sture Björklund beschrieb Wallander den Weg. Es würde nicht schwer zu finden sein.
Anschließend nahm Wallander sich eine halbe Stunde Zeit, eine Übersicht für sich selbst zu erstellen. Immer noch suchte er nach dem Ursprung des Gefühls, das ihn von dem Augenblick an, als er Svedberg tot auf dem Fußboden liegen sah, nicht losließ. Ein Gefühl, das auch Nyberg überkommen hatte. Es mochte auf der einfachen Tatsache beruhen, daß es allzu unerträglich und zu unbegreiflich war, einen ihrer Kollegen tot zu sehen. Aber die Unsicherheit blieb.
Kurz nach zehn Uhr holte er sich eine weitere
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