Wallander 07 - Mittsommermord
zufällig ein Teleskop im Kofferraum?«
»Nur das Reserverad und ein Paar Stiefel. Im Handschuhfach lag ein Insektenspray.«
»Der August ist der Wespenmonat«, sagte Wallander düster.
Sie trennten sich vor dem Präsidium. Wallander hatte von Nyberg, der mit beim Essen bei Lisa Holgersson war, eine Anzahl Schlüssel bekommen. Doch bevor er in Svedbergs Wohnung ging, wollte er nach Hedeskoga. Er fuhr auf die Umgehungsstraße und bog nach Sjöbo ab. Sture Björklunds Wegbeschreibung war sehr präzise. Wallander bog zu dem kleinen Hof ab, der etwas außerhalb der Ortschaft lag. Auf der Vorderseite des Hauses erstreckte sich eine große Rasenfläche mit einem Springbrunnen in der Mitte. Überall standen kleine Gipsstatuen auf Sockeln. Wallander stellte zu seiner Verwunderung fest, daß sie alle verschiedene Teufel darstellten, mit mehr oder weniger aufgerissenem schreckenerregendem |103| Schlund. Er fragte sich, was er denn im Garten eines Soziologieprofessors erwartet hatte. Aber er wurde von einem Mann in Stiefeln, abgewetzter Lederjacke und einem kaputten Strohhut aus seinen Gedanken gerissenen, der aus der Tür trat. Er war sehr groß und schlank. Durch die Löcher im Strohhut konnte Wallander eine Ähnlichkeit zwischen Sture Björklund und Svedberg entdecken: Beide waren nahezu kahlköpfig. Aber das brauchte natürlich kein familiäres Erbe zu sein. Wallander war im ersten Moment verlegen. Er hatte sich Professor Björklund ganz anders vorgestellt. Sein Gesicht war sonnengebräunt, die Bartstoppeln mindestens drei Tage alt. Konnte ein Professor unrasiert an der Universität Kopenhagen unterrichten? fragte sich Wallander. Doch vermutlich hatte er etwas anderes jenseits des Sunds zu erledigen. Es war noch früh im August, und das Herbstsemester hatte noch nirgendwo angefangen.
»Ich hoffe, ich mache Ihnen keine allzu großen Ungelegenheiten«, sagte Wallander.
Sture Björklund warf den Kopf in den Nacken und lachte schallend. Wallander hatte den Eindruck, daß sein Lachen auch einen gewissen Hohn enthielt.
»Ich habe eine Dame in Kopenhagen, die ich freitags besuche«, sagte Sture Björklund. »Eine Geliebte, wie man zu sagen pflegt. Halten sich schwedische Kriminalbeamte, die auf dem platten Land stationiert sind, Geliebte?«
»Ich denke, kaum«, gab Wallander zurück.
»Es ist eine außerordentlich praktische Lösung für die grundlegenden Beziehungsprobleme«, fuhr Björklund fort. »Jedes Treffen kann das letzte sein. Keine Abhängigkeiten, keine nächtlichen Diskussionen, die leicht dahingehend ausarten, daß man anfängt, gemeinsam Möbel zu kaufen und so zu tun, als sei die Ehe eine ernsthafte Alternative.«
Wallander spürte, daß der Mann im Strohhut mit dem schrillen Lachen ihn zu irritieren begann. »Mord ist auf jeden Fall eine ernste Angelegenheit«, sagte er.
Sture Björklund nickte. Dann nahm er den kaputten Hut ab, als habe er das Bedürfnis, so etwas wie Trauer zu demonstrieren. »Gehen wir hinein«, sagte er.
|104| Das Haus, das Wallander betrat, ließ sich mit nichts vergleichen, was er bisher gesehen hatte. Von außen war es ein klassisches schonisches Langhaus. Doch im Inneren eröffnete sich Wallander eine ganz und gar unerwartete Welt. Es gab keine Innenwände. Das Haus bestand aus einem einzigen großen Raum bis hinauf zum Dachfirst. An mehreren Stellen ragten turmähnliche Erhöhungen mit Wendeltreppen aus Gußeisen und Holz auf. Der Raum war äußerst sparsam möbliert, die Wände waren kahl. Die nach Westen weisende Schmalseite war zu einem großen Aquarium umgebaut. Björklund führte ihn zu einem massiven Holztisch, an dem eine alte Kirchenbank und ein Holzschemel standen.
»Ich bin immer der Meinung gewesen, daß man hart sitzen soll«, sagte Björklund. »Weil man unbequem sitzt, erledigt man das, was man zu tun hat, in der kürzestmöglichen Zeit. Sei es essen, denken oder mit einem Polizeibeamten Konversation treiben.«
Wallander setzte sich auf die Kirchenbank. Sie war wirklich sehr unbequem. »Wenn ich es richtig verstanden habe, sind Sie Professor an der Universität Kopenhagen?«
»Ich lehre Soziologie. Aber ich versuche, meine Lehrtätigkeit auf das absolute Minimum zu beschränken. Meine Forschung ist interessanter. Außerdem kann ich sie hier zu Hause betreiben.«
»Es gehört wohl kaum zur Sache, aber ich frage trotzdem: Was ist das für eine Forschung?«
»Das Verhältnis der Menschen zu Monstern.«
Wallander fragte sich, ob Björklund ihn zum Narren hielt.
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