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Wallander 07 - Mittsommermord

Wallander 07 - Mittsommermord

Titel: Wallander 07 - Mittsommermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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und stolzen Bild von Sitting Bull hielt er inne. Dann erhob er sich und ging ins Bad. Öffnete einen mit Spiegeln versehenen Wandschrank. Nichts darin überraschte ihn. So sah sein eigener Badezimmerschrank auch aus. Er ging wieder hinaus. Jetzt fehlten noch der Flur und das Wohnzimmer. Er begann mit dem Flur. Einer der Techniker kam aus der Küche. Wallander setzte sich auf einen Schemel und zog eine Schublade des Schränkchens unterhalb des Spiegels auf. Darin lagen Handschuhe und ein paar Mützen. Eine davon mit einer Reklame für eine Elektrokette, die in ganz Schonen Filialen hatte.
    Wallander stand auf. Nun war nur noch das Wohnzimmer übrig. Am liebsten würde er es nicht mehr betreten. Aber er hatte keine Wahl. Er ging in die Küche und trank ein Glas Wasser. Es war kurz vor sechs. Er war sehr müde. Im Wohnzimmer sah er Nyberg, der Knieschoner übergestreift hatte und um das schwarze Ledersofa herumrutschte, das an einer Wand stand. Der Stuhl lag noch da wie vorher. Keiner hatte die Lage des Gewehrs verändert. Nur Svedbergs Körper war fort. Wallander blickte sich im Zimmer um. Versuchte sich vorzustellen, was sich hier abgespielt hatte. Was war unmittelbar vor dem endgültigen Augenblick geschehen? Bevor die Schüsse fielen? Das Gefühl, daß er etwas Entscheidendes übersehen könnte, stellte sich von neuem ein. Er stand ganz still, hielt die Luft an, versuchte, seine Ahnung an die |91| Oberfläche kommen zu lassen. Da richtete Nyberg sich auf. Sie sahen sich an.
    »Verstehst du das hier?« fragte Wallander.
    »Nein«, antwortete Nyberg. »Es ist wie ein seltsames Gemälde.«
    Wallander sah ihn forschend an. »Was meinst du damit? Ein Gemälde?«
    Nyberg putzte sich die Nase und faltete sorgfältig das Taschentuch zusammen. »Alles ist ein einziges Tohuwabohu«, sagte er. »Umgeworfene Stühle, herausgerissene Schubladen, Papiere und Porzellan wild durcheinandergeworfen. Aber es kommt mir vor, als sei das Durcheinander zu groß.«
    Wallander verstand, obwohl ihm selbst der Gedanke nicht gekommen war. »Du meinst, das Ganze könnte arrangiert sein?«
    »Das ist natürlich nur eine sehr vage Vermutung.«
    »Und was genau läßt dich vermuten, daß dieses Chaos arrangiert ist?«
    Nyberg zeigte auf einen kleinen Porzellanhahn auf dem Fußboden. »Man kann sich vorstellen, daß der Hahn dort auf dem Regal gestanden hat«, sagte er. »Wo hätte er sonst stehen sollen? Aber wenn er jetzt auf dem Boden gelandet ist, wenn jemand an den Schubladen gezerrt und gezogen hat; warum landet er dann da hinten?«
    Wallander nickte.
    »Es gibt sicher eine vernünftige Erklärung«, meinte Nyberg. »Aber die mußt du finden.«
    Wallander erwiderte nichts. Er blieb noch ein paar Minuten im Wohnzimmer stehen. Dann verließ er die Wohnung. Als er auf die Straße trat, war heller Morgen. Ein Streifenwagen parkte vor dem Haus. Aber es hatten sich keine Neugierigen versammelt. Wallander ging davon aus, daß die Streifenwagenbesatzung instruiert worden war, bis auf weiteres nichts darüber verlauten zu lassen, was geschehen war.
    Er atmete ein paarmal tief durch. Es würde wieder ein schöner Spätsommertag werden.
    Ihm war, als empfinde er erst jetzt, wie überwältigend die Trauer um Svedberg sein würde. Ob sie nun dem Menschen galt oder |92| nur eine Reaktion darauf war, daß man sich seiner eigenen Sterblichkeit bewußt geworden war. Er spürte auch Angst. Der Tod hatte ihn gestreift. Es war anders als beim Tod seines Vaters.
    Das erschreckte ihn.
    Es war fünf vor halb sieben, und es war Freitagmorgen, der 9.   August. Wallander ging langsam zu seinem Wagen. Im Hintergrund begann ein Betonmischer zu scheppern.
    Zehn Minuten später betrat Wallander das Polizeipräsidium.

|93| 6
    Sie versammelten sich um kurz nach acht Uhr im Sitzungszimmer und hielten eine improvisierte Gedenkstunde ab. Lisa Holgersson hatte eine Kerze an den Platz gestellt, an dem Svedberg zu sitzen pflegte. Alle, die an diesem Morgen im Präsidium Dienst taten, hatten sich eingefunden. Der Schock und die Trauer lasteten schwer auf ihnen. Lisa Holgersson sagte nicht viel. Es fiel ihr nicht leicht, die Fassung zu bewahren. Alle beteten im stillen darum, daß sie ans Ende kam, ohne völlig zusammenzubrechen. Es hätte die Situation für alle unerträglich gemacht. Dann hielten sie stehend eine Schweigeminute. Unruhige Bilder zogen vor Wallanders innerem Auge vorüber. Schon jetzt gelang es ihm kaum noch, sich Svedbergs Gesicht zu vergegenwärtigen. Er dachte

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