Wallander 07 - Mittsommermord
verkaufen könnte.«
Das Taxi kam. Wallander stieg ein und sagte dem Fahrer, wohin er wollte. Sten Widén stand da und sah dem Wagen nach. Wallander saß auf der Rückbank, kauerte sich in eine Ecke und schloß die Augen. Er schlief ein und begann sofort zu träumen.
Aber gerade als sie die Abzweigung nach Rydsgård hinter sich hatten, zog ihn etwas wieder an die Oberfläche. Zuerst wußte er |139| nicht, was es war. Etwas hatte im Traum sein Bewußtsein gestreift. Dann kam er darauf:
Sten Widén hatte am Fenster gestanden und die Holzverkleidung gelöst.
Im Nu war Wallander hellwach. Svedberg hatte jahrelang ein Geheimnis gehütet. Eine Frau mit Namen Louise. Als Wallander seinen Schreibtisch untersuchte, hatte er nichts gefunden, nur einige alte Briefe, die Svedberg von seinen Eltern bekommen hatte.
Svedberg hat ein Geheimfach, dachte Wallander. Genau wie Widén.
Er beugte sich nach vorn und bat den Fahrer, ihn am Stortorg abzusetzen. Um kurz nach halb zwei stieg er aus dem Taxi. Die Schlüssel zu Svedbergs Wohnung hatte er in der Tasche. Er erinnerte sich, in Svedbergs Badezimmerschränkchen auch Kopfschmerztabletten gesehen zu haben.
Er schloß die Wohnungstür auf, hielt den Atem an und lauschte. Dann löste er ein paar Kopfschmerztabletten in einem Glas Wasser auf. Von der Straße drangen Geräusche einiger lärmender Jugendlicher herauf. Dann war es wieder still. Er stellte das Glas auf die Spüle und machte sich auf die Suche nach Svedbergs Geheimfach. Als er es schließlich fand, war es fast drei Uhr. Ein Stück des Bodenbelags unter dem Sekretär im Schlafzimmer ließ sich herausnehmen. Wallander richtete die Nachttischlampe auf den Hohlraum. Darin lag ein brauner Umschlag, nicht verschlossen. Er nahm ihn mit in die Küche und öffnete ihn.
Genau wie Sten Widén hatte Svedberg Fotos wie Kleinode behandelt.
Es waren zwei Bilder. Das eine zeigte ein Frauengesicht, ein Porträt, wahrscheinlich in einem Atelier aufgenommen.
Auf dem anderen waren einige Jugendliche, die im Schatten eines Baums saßen und mit ihren Weingläsern dem unbekannten Fotografen zuprosteten.
Die Szene wirkte idyllisch. Aber etwas an dem Bild war merkwürdig.
Die Jugendlichen sahen aus wie verkleidet. Als fände ihr Fest in einer weit zurückliegenden Zeit statt.
Wallander setzte seine Brille auf. Sein Magen verkrampfte sich.
Er erinnerte sich, in einer von Svedbergs Schreibtischschubladen |140| ein Vergrößerungsglas gesehen zu haben. Er holte es und studierte das Bild genau.
Irgendwie kamen ihm diese Jugendlichen bekannt vor. Besonders das Mädchen auf der rechten Seite.
Dann erkannte er sie. Er hatte kürzlich ein Foto von ihr gesehen. Doch da war sie nicht verkleidet gewesen.
Das Mädchen rechts auf dem Bild war Astrid Hillström.
Langsam legte er das Vergrößerungsglas aus der Hand.
Irgendwo schlug es drei.
|141| 9
Um sechs Uhr am Samstagmorgen, dem 10. August, hielt Wallander es nicht mehr aus. Allzu unruhig, um zu denken, allzu rastlos, um zu schlafen, war er in seiner Wohnung hin und her gewandert. Auf dem Tisch in der Küche lagen die beiden Fotos, die er in Svedbergs Wohnung gefunden hatte. Sie hatten in seiner Tasche gebrannt, als er durch die nächtlich leeren Straßen zur Mariagata gegangen war. Erst als er die Jacke auszog und weghängte, sah er, daß es unterwegs geregnet haben mußte, ohne daß er es gemerkt hatte.
Die Fotos aus Svedbergs Geheimfach waren entscheidend, doch er konnte noch nicht sagen, warum. Unruhe und Angst, die er bisher eher als eine unklare Vorahnung empfunden hatte, überfielen ihn jetzt mit voller Wucht. Ein Fall, der bisher noch kein Fall war – die drei verschwundenen Jugendlichen, die man auf einer Reise irgendwo in Europa vermutete –, schien plötzlich Bestandteil einer der schwierigsten Mordermittlungen zu sein, mit der die Polizei in Ystad je konfrontiert gewesen war. Einer der Ihren, ein Kollege aus dem eigenen Kreis, war ermordet worden. In den Nachtstunden, die seit Wallanders Entdeckung vergangen waren, hatte er viele Gedanken gewälzt, alle gleich verworren, unklar und widersprüchlich. Er hielt den entscheidenden Durchbruch sozusagen in der Hand, aber er wußte nicht, was sich daraus ergab.
Wovon sprachen die Fotos eigentlich? Das Bild von Louise war ein Schwarzweißfoto, das der Jugendlichen ein Farbfoto. Auf der Rückseite der Bilder waren keine Datumsstempel. Hieß das, daß sie in einem privaten Labor entwickelt worden waren? Oder gab es
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