Wallander 07 - Mittsommermord
Entwicklungsfirmen, die keine maschinellen Datenstempel verwendeten? Ein gebräuchliches Bildformat. Er versuchte zu bestimmen, ob sie von einem Berufsfotografen oder einem Amateur aufgenommen worden waren. Aus Erfahrung wußte er, daß Bilder, |142| die zu Hause abgezogen wurden, meistens wellig waren. Fragen über Fragen, und er sah ein, daß er nicht in der Lage war, sie mit Sicherheit zu beantworten.
Welche Stimmung riefen die Bilder hervor. Was erzählten sie über den Fotografen? Es handelte sich wohl nicht um ein und dieselbe Person. Hatte Svedberg selbst Louise fotografiert? Ihr Blick verriet nichts. Das Bild der Jugendlichen war ebenfalls schwer einzuordnen. Er konnte keine bewußte Komposition erkennen. Am wichtigsten schien gewesen zu sein, daß alle mit aufs Bild kamen. Dann hatte jemand eine Kamera vors Gesicht gehoben, »Guckt mal her« gerufen und abgedrückt. Wahrscheinlich gab es eine ganze Serie solcher Bilder, lauter fröhliche Festfotos. Aber wo waren sie?
Am meisten beunruhigte Wallander jedoch der für ihn unklare Zusammenhang. Sie wußten bereits, daß Svedberg kurz vor seinem Urlaub nach den verschwundenen Jugendlichen gesucht hatte. Warum? Und warum hatte er es heimlich getan?
Woher kam das Foto mit den dem Fotografen zuprostenden Jugendlichen? Wo war es aufgenommen?
Und dann dieses Frauengesicht. Es mußte doch wohl die Frau namens Louise sein. Wallander studierte das Bild im Schein der Küchenlampe. Eine Frau in den Vierzigern. Ein paar Jahre jünger als Svedberg. Wenn sie sich vor ungefähr zehn Jahren getroffen hatten, wäre sie dreißig gewesen und Svedberg fünfunddreißig. Daran war nichts Ungewöhnliches. Die Frau auf dem Bild hatte glattes dunkles Haar, Pagenschnitt, soweit Wallander sich auskannte. Da es ein Schwarzweißfoto war, konnte er die Augenfarbe nicht ausmachen. Sie hatte eine schmale Nase. Das ganze Gesicht war schmal, und die geschlossenen Lippen zeigten die Andeutung eines Lächelns.
Ein Mona-Lisa-Lächeln. Doch der Frau auf dem Bild fehlte das Lächeln in den Augen. Wallander konnte nicht sagen, ob das Foto in einem Atelier retuschiert worden oder ob die Frau geschminkt war.
Aber da war noch etwas anderes, was er nicht zu fassen bekam. Das Gesicht der Frau war auf seltsame Weise unnahbar, auf die Platte gebannt, aber trotzdem nicht wirklich.
|143| Auf der Rückseite der Bilder stand nichts. Keins von beiden war abgegriffen oder geknickt.
Ich habe zwei unberührte Fotos gefunden, dachte Wallander. Zwei Bilder ohne Fingerabdrücke, zwei Bilder wie zwei unaufgeschnittene Bücher.
Bis sechs Uhr hielt er durch. Dann rief er Martinsson an, der Frühaufsteher war. Er meldete sich sofort.
»Ich hoffe, ich habe dich nicht geweckt«, sagte Wallander.
»Wenn du abends um zehn anrufst, kann es sein, daß du mich weckst. Aber nicht morgens um sechs. Ich wollte gerade nach draußen, um Unkraut zu jäten.«
Wallander kam gleich zur Sache. Er erzählte von den Fotos. Martinsson hörte zu, ohne Fragen zu stellen.
»Ich möchte, daß wir uns so schnell wie möglich treffen«, schloß Wallander. »Nicht um neun, sondern in einer Stunde. Um sieben.«
»Hast du schon mit den anderen gesprochen?«
»Du bist der erste, den ich anrufe.«
»Und wen willst du dabeihaben?«
»Alle. Auch Nyberg.«
»Den mußt du selbst anrufen. Er ist morgens immer so grätzig. Ich ertrage keine Menschen, die schon schlecht gelaunt sind, bevor ich meinen Kaffee getrunken habe.«
Martinsson wollte Hansson und Ann-Britt Höglund anrufen. Wallander die übrigen.
Er begann mit Nyberg, der auch tatsächlich schlaftrunken und mürrisch war.
»Wir treffen uns um sieben«, sagte Wallander, »nicht um neun.«
»Ist was passiert? Oder ist es reine Schikane?«
»Sieben Uhr«, wiederholte Wallander. »Und wenn du jemals erleben solltest, daß die Ermittlungsgruppe aus reiner Schikane zusammengetrommelt wird, solltest du dich an die Gewerkschaft wenden.«
Er setzte Kaffeewasser auf. Bereute seine letzte Bemerkung. Dann rief er Lisa Holgersson an, die zu kommen versprach.
Wallander nahm seinen Kaffee mit auf den Balkon. Die Wolkendecke |144| löste sich auf. Das Thermometer deutete einen weiteren warmen Tag an.
Die Müdigkeit machte ihm zu schaffen. Voller Abscheu stellte er sich plötzlich vor, wie kleine Inseln aus weißem Zucker in seinen Adern umhertrieben.
Kurz nach halb sieben verließ er die Wohnung. Auf der Treppe begegnete er dem Zeitungsboten, einem älteren Mann, der Stefansson hieß und
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