Wallander 07 - Mittsommermord
ans Licht gebracht. Noch schien alles sehr unübersichtlich. Doch niemand zweifelte daran, daß immer dramatischere Enthüllungen bevorstanden.
Er gab Nyberg ein Zeichen, fortzufahren.
»Was ich mich jetzt frage«, sagte Nyberg, »ist, wie diese Louise ins Bild paßt.«
»Das wissen wir nicht«, erwiderte Wallander. »Wir müssen jetzt auf möglichst breiter Front vorgehen und versuchen, Antwort auf die wichtigsten Fragen zu bekommen. Und dazu gehört die Frage, wer diese Frau ist.«
Die Beklemmung lag wie ein schwerer Nebel über ihnen. Alle wußten, daß sie jetzt Tag und Nacht arbeiten würden. Lisa Holgersson |149| würde dafür sorgen, daß weiteres Personal für die Ermittlung abgestellt wurde.
Um kurz nach elf beendeten sie die Sitzung. Am Abend wollten sie wieder zusammenkommen. Martinsson stand schon am Telefon und sprach mit seiner Frau darüber, daß er zu einer Einladung nicht mitkommen könne. Wallander blieb sitzen. Eigentlich mußte er auf die Toilette. Aber sogar dafür fühlte er sich zu müde. Die Treibjagd hat begonnen, dachte er. Am Anfang gleicht jede Verbrechensermittlung der Organisation einer Treibjagd oder einer Suchaktion. Nicht nach jemandem, der in einem großen Wald verschwunden ist. Sondern einer Suche nach Klarheit.
Er bedeutete Ann-Britt Höglund, noch zu bleiben. Als sie allein waren, nickte er ihr zu, sie möge die Tür schließen.
»Gib mir deine Einschätzung«, sagte er, als sie sich gesetzt hatte.
»Gewisse Gedanken sind natürlich so unangenehm, daß ich mich dagegen sträube.«
»Das tun wir alle. Vor einigen Stunden war Svedberg ein Kollege, der brutal ermordet wurde. Plötzlich verändern sich die Perspektiven. Jetzt ahnen wir die Möglichkeit, daß Svedberg selbst in ein gräßliches Verbrechen verwickelt gewesen sein kann.«
»Glaubst du das?«
»Nein. Aber wir müssen auch das denken, was wir für undenkbar halten. Und das ist gar nicht so sonderbar, wie es klingt.«
»Was kann eigentlich passiert sein?«
»Das will ich gerade von dir hören.«
»Es besteht nachweislich ein Zusammenhang zwischen Svedberg und den verschwundenen Jugendlichen.«
»Das stimmt nicht. Es gibt einen Zusammenhang zwischen Svedberg und Astrid Hillström. Vorläufig nicht mehr.«
Sie nickte. »Du hast recht. Svedberg und Astrid Hillström. Die Tochter der besorgtesten Mutter.«
»Was siehst du noch?«
»Daß Svedberg ein anderer war, als wir geglaubt haben.«
Wallander hakte ein. »Was haben wir denn von ihm geglaubt?«
Sie dachte nach, bevor sie antwortete. »Daß er der war, der er zu sein schien.«
|150| »Und wie schien er zu sein?«
»Leicht zugänglich, offen. Zuverlässig.«
»Er wäre demnach unzugänglich, verschlossen und unzuverlässig gewesen? Meinst du das?«
»Nicht ganz. Aber teilweise.«
»Er hatte eine heimliche Freundin. Die eventuell Louise heißt. Wir wissen, wie sie aussieht.«
Wallander stand auf, knipste den Projektor an und legte das Foto mit dem Gesicht der Frau ein.
»Irgend etwas kommt mir merkwürdig vor an diesem Gesicht. Aber ich komme nicht darauf, was es ist.«
Ann-Britt war unsicher. Aber Wallander hatte den Eindruck, daß seine Bemerkung nicht überraschend für sie kam.
»Es ist etwas mit ihren Haaren«, meinte sie zögernd. »Aber ich weiß nicht, was.«
»Wir müssen sie finden«, sagte Wallander. »Und wir werden sie finden.«
Er legte das andere Bild ein und sah Ann-Britt an. Sie antwortete zurückhaltend.
»Ich bin ziemlich überzeugt, daß sie Kleider tragen, wie sie im sechzehnten Jahrhundert üblich waren. Ich habe zu Hause ein Buch über den Wechsel der Mode durch die Jahrhunderte. Aber ich kann mich natürlich irren.«
»Und was siehst du noch?«
»Jugendliche, die fröhlich zu sein scheinen. Ausgelassen und angetrunken.«
Wallander dachte plötzlich an Sten Widéns Bilder von ihrer Deutschlandreise. Er hatte mit einer Bierflasche dagestanden und war sehr betrunken.
Die Bilder glichen einander.
»Was siehst du noch?«
»Der zweite Junge von links scheint dem Fotografen etwas zuzurufen.«
»Wo befinden sie sich?«
»Von links fällt ein Schatten ins Bild. Es ist im Freien aufgenommen worden. Im Hintergrund sind Büsche, vielleicht auch ein paar Bäume.«
|151| »Sie sitzen auf einer Decke und haben Essen mitgebracht. Und sie sind verkleidet. Was bedeutet das?«
»Eine Maskerade. Ein Fest.«
»Nehmen wir einmal an, es ist ein Sommerfest«, überlegte Wallander. »Das ganze Bild vermittelt den Eindruck, daß es warm
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