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Wallander 07 - Mittsommermord

Wallander 07 - Mittsommermord

Titel: Wallander 07 - Mittsommermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Trauer und was Empörung war, konnte er nicht unterscheiden. Aber vor alle anderen Regungen in seinem Bewußtsein schob sich die nackte Angst.
    Jemand war vorsätzlich in ein Idyll eingedrungen und hatte drei junge Menschen erschossen. Vor ein paar Tagen hatte Wallander Svedberg tot auf dem Fußboden in seiner Wohnung gefunden. Irgendwie hingen die beiden Ereignisse zusammen, wenn auch der Berührungspunkt noch unklar blieb.
    |195| Als er dort auf dem Pfad stand, spürte er den Impuls, zu fliehen. Er glaubte nicht, dem Druck noch länger standhalten zu können. Sollte jemand anders weitermachen. Martinsson oder Hansson. Er selbst war ausgebrannt. Außerdem hatte er Zucker. Es ging bergab mit ihm.
    Dann hörte er sie kommen. Noch in einiger Entfernung, Autos, die sich auf den schmalen Pfaden vorwärts arbeiteten. Zweige, die brachen. Plötzlich waren sie um ihn herum, und er war gezwungen, das Kommando zu übernehmen, das er am liebsten abgegeben hätte. Er kannte sie alle, die sich in einem Halbkreis um ihn sammelten. Viele von ihnen kannte er seit zehn oder fünfzehn Jahren. Lisa Holgersson sah blaß aus. Wallander fragte sich, wie er wohl selbst aussah.
    »Sie liegen da unten«, sagte er und deutete in die Richtung. »Sie sind erschossen worden. Auch wenn sie noch nicht identifiziert wurden, wage ich zu behaupten, daß es sich um die drei Jugendlichen handelt, die seit Mittsommer vermißt werden. Wir haben geglaubt, oder zumindest gehofft, sie wären auf einer Europareise. Jetzt wissen wir, daß es nicht stimmte.«
    Er machte eine Pause, bevor er fortfuhr.
    »Ich möchte euch darauf vorbereiten, daß sie dort wahrscheinlich seit Mittsommer gelegen haben. Da könnt ihr euch selbst vorstellen, wie sie aussehen. Es besteht jede Veranlassung, Mundschutz zu tragen.«
    Er blickte Lisa Holgersson an. Wollte sie es sehen? Sie nickte.
    Wallander ging voraus. Nur das Knacken der Zweige und das Rascheln des Laubs waren zu hören. Als ihnen der Verwesungsgeruch entgegenwehte, stöhnte jemand auf. Lisa Holgersson packte Wallanders Arm. Sie waren da. Wallander wußte, daß die Konfrontation mit einem makabren Tatort immer leichter fiel, wenn man nicht allein war. Nur einer der jungen Polizisten wandte sich ab und mußte sich übergeben.
    »Das können wir doch die Eltern nicht sehen lassen«, sagte Lisa Holgersson tonlos. »Das ist ja absolut grauenhaft.«
    Wallander wandte sich an den Arzt, der mitgekommen war. Auch er war sehr bleich geworden.
    »Die Untersuchung hier am Tatort muß rasch gehen«, sagte |196| Wallander. »Wir müssen die Körper wegbringen und sie zurechtmachen. Bevor die Eltern sie zu sehen bekommen.«
    Der Arzt schüttelte den Kopf. »Hier fasse ich nichts an«, sagte er. »Ich rufe in Lund an.«
    Er trat zur Seite und lieh sich Martinssons Handy aus.
    »Über eins müssen wir uns im klaren sein«, wandte sich Wallander an Lisa Holgersson. »Wir haben schon einen toten Polizisten. Jetzt kommen noch drei ermordete Jugendliche dazu. Das heißt, wir müssen vier Todesfälle aufklären. Es wird einen gewaltigen Aufstand geben. Man wird lautstark ein rasches Ergebnis fordern. Außerdem müssen wir uns irgendwie dazu verhalten, daß wir an einen Zusammenhang glauben. Du bist dir sicher des Risikos bewußt, das da auf uns zukommt.«
    »Daß jemand auf die Idee kommt, Svedberg hätte sie erschossen?«
    »Ja.«
    »Glaubst du, daß er es war?«
    Die Frage kam so schnell, daß Wallander überrumpelt war.
    »Ich weiß es nicht«, sagte er. »Nichts spricht dafür, daß Svedberg ein Motiv gehabt hätte. Nichts spricht dafür, daß er, weil er selbst ermordet wurde, sie getötet haben sollte. Irgendwo gibt es einen Berührungspunkt. Aber es fehlt ein entscheidendes Zwischenglied. Was das auch immer sein mag.«
    »Die Frage ist also, wieviel wir sagen können und dürfen?«
    »Leider wird das keine wesentliche Rolle spielen. Und gegen Spekulationen sind wir immer machtlos.«
    Ann-Britt Höglund hatte neben ihnen gestanden und zugehört. Wallander sah, daß sie zitterte.
    »Noch ein wichtiger Punkt«, sagte sie. »Eva Hillström wird sicher schwere Vorwürfe gegen uns erheben. Weil wir die Zeit haben verstreichen lassen. Ohne etwas zu unternehmen.«
    »Und möglicherweise hat sie recht«, sagte Wallander. »Dann müssen wir eben zugeben, daß uns eine Fehleinschätzung unterlaufen ist. Das nehme ich auf meine Kappe.«
    »Warum gerade du?« fragte Lisa Holgersson.
    »Einer muß es ja tun«, antwortete Wallander. »Wer, ist

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