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Wallander 07 - Mittsommermord

Wallander 07 - Mittsommermord

Titel: Wallander 07 - Mittsommermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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hatten den kaum erträglichen Gedanken gestreift, er könne dieses Verbrechen begangen haben. Doch plötzlich war Wallander der Gedanke an eine andere Möglichkeit gekommen, die sie bisher noch nicht bedacht hatten. Svedberg hatte eine ganz eigene Ermittlung gestartet, und er hatte niemanden informiert. Vieles sprach dafür, daß er einen großen Teil seines Urlaubs darauf verwendet hatte, die Spur der verschwundenen Jugendlichen zu verfolgen. Natürlich konnte das bedeuten, daß er etwas zu verbergen hatte. Aber ebensogut konnte es genau umgekehrt interpretiert werden. Svedberg hatte vielleicht wirklich eine Spur gehabt. Es konnte sein, daß er aus irgendeinem Grund den Verdacht hatte, daß Boge, Norman und Hillström nicht auf Europareise gegangen waren. Daß etwas passiert war. Und irgendwo hatte er im Verlauf seiner Nachforschungen den Weg einer unbekannten Person gekreuzt. Und war eines Abends oder Nachts selbst getötet worden. Dies alles erklärte nicht, warum Svedberg mit keinem seiner Kollegen darüber gesprochen hatte, woran er arbeitete. Doch dafür konnte es Gründe geben, die noch im verborgenen lagen.
    Der umgestürzte Stuhl lag noch immer auf dem Fußboden. Wallander setzte sich auf die äußerste Ecke der Couch, ohne Licht zu machen. Die Ereignisse des Tages liefen wie eine Serie wechselnder Bilder noch einmal in seinem Kopf ab. Schon sehr früh, weniger als eine Stunde nach der Entdeckung der Toten, war Wallander davon überzeugt gewesen, daß da noch etwas war, was man nicht sah. Doch erst als der Gerichtsmediziner aus Lund eine vorläufige Schätzung abgab, wie lange sie bereits tot waren, erkannte Wallander, was er suchte. Der Arzt konnte nicht sagen, wann die |203| Schüsse abgegeben worden waren. Doch daß es eventuell fünfzig Tage her sein sollte, bezeichnete er als Ding der Unmöglichkeit. Wallander hatte sogleich an die beiden Ansatzmöglichkeiten gedacht, die sich für die Ermittlung daraus ergaben: Entweder waren die Schüsse zu einem späteren Zeitpunkt abgegeben worden, oder die leblosen Körper waren an einem Ort aufbewahrt worden, an dem sie besser erhalten blieben als draußen im Freien. Es war nicht auszuschließen, daß Fundort und Tatort nicht übereinstimmten. Wallander und seinen Kollegen fiel es schwer, sich vorzustellen, jemand hätte die drei Personen an dem Platz, an dem sie gefunden wurden, getötet, sie aber anschließend an einen unbekannten Aufbewahrungsort gebracht, um sie später an den ursprünglichen Tatort zurückzubringen. Hansson hatte die Idee geäußert, die Jugendlichen könnten sich trotz allem auf ihre Europareise begeben haben, seien aber früher als geplant, und ohne ihre Eltern zu benachrichtigen, zurückgekehrt.
    Wallander räumte die Möglichkeit ein. Auch wenn sie nicht sehr wahrscheinlich war. Und bekam das Gefühl, immer tiefer in eine endlose Nebelbank hineinzutreiben.
    Der heiße Augusttag hatte sich dahingeschleppt. Sie hatten in ihrer eingespielten Routine bei der Untersuchung eines Tatorts Schutz gesucht. Wallander sah, wie seine Kollegen bedrückt und unter entsetztem Schweigen taten, was von ihnen erwartet wurde. Er hatte ihnen zugesehen und war sicher, daß an diesem Tag jeder von ihnen irgendwann und auf seine eigene Weise gewünscht hatte, diesen Beruf nicht länger ausüben zu müssen. Häufig machten sie Pausen und entfernten sich vom engeren Tatort. Ein paar Campingtische und Stühle waren auf dem Pfad aufgestellt worden. Dort tranken sie Kaffee, der mit jedem Öffnen der Thermoskanne kälter wurde. Aber Wallander sah keinen von ihnen an diesem Tag etwas essen.
    Am stärksten beeindruckte ihn Nybergs Durchhaltevermögen. Mit verbissener Hartnäckigkeit hatte er in halb verfaulten und stinkenden Essensresten herumgestochert. Er hatte dem Fotografen und dem Polizisten, der die Videokamera bediente, Anweisungen gegeben, hatte Gegenstände in Plastiktüten verpackt und auf komplizierten Skizzen Fundorte markiert. Nyberg, das wußte |204| Wallander, haßte denjenigen, der dies alles angerichtet hatte, in dem er jetzt herumstochern mußte. Und Wallander wußte ebenso, daß niemand akribischer sein konnte als gerade Nyberg. Zu einem bestimmten Zeitpunkt hatte Wallander bemerkt, daß Martinsson am Ende seiner Kräfte war. Er hatte ihn beiseite genommen und ihm geraten, nach Hause zu fahren. Aber Martinsson hatte nur stumm den Kopf geschüttelt und war zur Untersuchung des Geländes unmittelbar um das ausgebreitete Tuch zurückgekehrt.

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