Wallander 07 - Mittsommermord
sie auf.«
»Und das hast du getan, als Svedberg dich besucht hat?«
»Ja.«
»Und wo ist das Band?«
»Es liegt im Gartenhaus. Wo Sie mich gefunden haben. Auf dem Umschlag der Kassette ist ein blauer Engel.«
»Ein blauer Engel?«
»Ich mache meine Umschläge selbst.«
Wallander nickte. »Hast du etwas dagegen, daß wir das Band holen?«
»Nein, warum sollte ich?«
Wallander rief im Präsidium an. Er beauftragte den wachhabenden Beamten, eine Streife nach Skårby zu schicken und die Kassette holen zu lassen. Und den Walkman, den Wallander auf dem Tisch neben dem Bett gesehen zu haben meinte.
»Ein blauer Engel?« fragte der Beamte.
»Ein blauer Engel auf dem Umschlag. Und es eilt.«
Es dauerte genau neunundzwanzig Minuten. Während sie |214| warteten, hatte sie mehr als eine Viertelstunde auf der Toilette verbracht. Als sie zurückkam, entdeckte Wallander zu seiner Verwunderung, daß sie sich die Haare gewaschen hatte. Eigentlich hätte er sich Sorgen machen müssen, sie könnte erneut versuchen, sich das Leben zu nehmen, dachte er.
Der Polizist kam herein und lieferte die Kassette und den Walkman ab. Sie nickte. Es war die richtige Kassette. Sie setzte die Kopfhörer auf und spulte das Band zur richtigen Stelle vor.
»Hier«, sagte sie und gab Wallander die Kopfhörer.
Svedbergs Stimme drang mit gewaltiger Kraft auf ihn ein. Er fuhr zusammen, als sei er von etwas gestochen worden. Dann hörte er, wie Svedberg sich räusperte und seine Frage stellte. Ihre Antwort ging in einem durch den Abstand vom Mikrofon hervorgerufenen Rauschen unter. Er spulte zurück und hörte sich die Stelle ein zweites Mal an.
Er hatte sich nicht geirrt.
Sie hatte recht und unrecht zugleich. Svedberg stellte tatsächlich die gleiche Frage wie er selbst. Aber doch nicht ganz.
Es gab einen bedeutenden Unterschied.
»Was dachtest du, als dir klar wurde, daß sie auf eine Europareise gegangen waren, ohne dir etwas davon zu sagen?«
So hatte Wallanders Frage gelautet. Svedberg hatte seine Frage auf eine Art und Weise gestellt, die ihre Bedeutung dramatisch veränderte.
Wallander lauschte noch einmal der Stimme, die er so viele Male gehört hatte: »Glaubst du wirklich, daß sie auf eine Europareise gegangen sind?«
Wallander hörte sich die Frage noch einmal an. Auf dem Band antwortete Isa nicht auf Svedbergs Frage. Dann nahm Wallander die Kopfhörer ab.
Svedberg wußte es, dachte er.
Schon am 1. oder 2. Juli.
Svedberg wußte, daß sie nicht ins Ausland gefahren waren.
|215| 14
Sie setzten ihr Gespräch fort. Der Walkman und die Kassette mit dem blauen Engel, die einen letzten Eindruck von Svedbergs Stimme enthielt, lagen neben ihr auf dem Tisch. Wallander fragte weiter, obwohl es ihm schwerfiel, sich zu konzentrieren. Außerdem bereitete ihm die Entscheidung, die er gleich treffen mußte, Kopfzerbrechen. Wer sollte Isa Edengren erzählen, was ihren Freunden draußen im Naturreservat zugestoßen war? Wer sollte es tun? Und wann? In gewisser Weise hatte er sie ja schon hintergangen. Hätte er ihr nicht von Anfang an die Wahrheit sagen müssen? Es war inzwischen nach einundzwanzig Uhr, und Wallander hatte das Gefühl, nicht mehr weiterzukommen. Unter dem Vorwand, er wolle versuchen, eine Tasse Kaffee zu bekommen, ging er auf den Gang hinaus und rief Martinsson an. Er erfuhr, daß sie nach Ystad zurückgekehrt waren. Nur die Kriminaltechniker und die Beamten, die den Tatort bewachen sollten, waren noch draußen. Nyberg und seine Leute wollten die Nacht durcharbeiten. Wallander erklärte Martinsson, wo er sich befand, und bat ihn, Ann-Britt Höglund ans Telefon zu holen. Als sie kam, erklärte er ihr ohne Umschweife, daß er ihre Hilfe brauche.
»Wir haben noch Isa Edengren. Auch ihr müssen wir die Todesnachricht überbringen. Wir wissen nicht, wie sie reagieren wird.«
»Immerhin ist sie schon im Krankenhaus. Was könnte denn noch passieren?«
Ihre Antwort verblüffte Wallander. Er empfand sie als kalt. Doch dann sah er ein, daß sie sich nur schützte. Nichts konnte schlimmer sein als der düstere und ekelerregende Tatort, an dem sie diesen langen Augusttag zugebracht hatte.
»Trotzdem wäre es schön, wenn du kämst«, sagte er. »Dann bin ich dabei nicht allein. Immerhin hat sie gerade erst versucht, sich das Leben zu nehmen.«
|216| Dann suchte er die Schwester, die seinen Blutzuckerspiegel gemessen hatte, und bat sie um den Namen und die private Telefonnummer des Arztes. Er nahm gleichzeitig die Gelegenheit
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