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Wallander 07 - Mittsommermord

Wallander 07 - Mittsommermord

Titel: Wallander 07 - Mittsommermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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einen weiten Bogen geschlagen und erst haltgemacht, als er sich in der Nähe des Hauptpfads befand, der in das Wandergebiet führte. Von dort würde er leicht zur Straße gelangen, falls plötzlich ein Hund Gefahr witterte und anschlug. Aber er war nicht unruhig. Sie konnten nicht damit rechnen, daß er hier war.
    Im Schutz der Dunkelheit hatte er Polizisten auf dem Pfad kommen und gehen sehen. Es waren auch mehrere Autos vorbeigefahren. Er hatte zwei Polizistinnen gesehen. Kurz nach zweiundzwanzig Uhr hatten viele das Reservat gleichzeitig verlassen. Da hatte er sich zurückgezogen und Tee aus seiner Thermoskanne getrunken. Die Sendung, die er in Shanghai bestellt hatte, war bereits avisiert. Früh am nächsten Morgen würde er das Paket abholen. Nachdem er getrunken und die Thermoskanne wieder in den Rucksack gepackt hatte, näherte er sich langsam dem Platz, an dem er sie erschossen hatte. Er war sicher, daß keine Hunde auf |233| dem Gelände waren. Aus der Entfernung sah er die Scheinwerfer, die ihr unwirkliches Licht in den Wald warfen. Er kam sich vor wie ein Zaungast, der eine Theatervorstellung belauscht, zu der kein Publikum geladen war. Die Versuchung war groß, sich so nahe heranzuschleichen, daß er verstehen konnte, was die Polizisten sagten. Und ihre Gesichter sehen. Doch er beherrschte sich. Das tat er immer. Wenn man seine Selbstbeherrschung nicht bewahrte, konnte man nie sicher sein, daß man entkam.
    Im Scheinwerferlicht hatten die Schatten gespielt.
    Die Polizisten türmten sich auf wie Riesen. Aber er wußte, daß es nur eine Sinnestäuschung war. Sie tappten umher wie blinde Tiere in einer unbegreiflichen Welt. Diese Welt hatte er erschaffen. Er hatte sich eine kurze Weile der Zufriedenheit gegönnt. Aber Übermut war gefährlich. Er machte einen Menschen verwundbar.
    Dann war er zum Hauptpfad zurückgekehrt. Er hatte schon beschlossen, sich wieder auf den Rückweg zu machen, als er einen einsamen Mann den Pfad entlangkommen sah. Das Licht der Taschenlampe tanzte über den Boden. Für einen kurzen Augenblick war das Gesicht des Mannes sichtbar. Da erkannte er ihn. Es war einmal ein Bild von ihm in der Zeitung gewesen. Der Mann hieß Nyberg und war Kriminaltechniker. Er lächelte im Dunkeln in sich hinein. Dieser Nyberg würde nie begreifen, was er da vor sich hatte. Er würde vielleicht die einzelnen Teile identifizieren, aber das verborgene Muster würde er nie finden.
    Er hatte sich den Rucksack übergeworfen und wollte den Pfad überqueren, als er noch eine Person kommen hörte. Dann sah er das Licht der Taschenlampe. Er glitt zurück in die Schatten. Der Mann, der an ihm vorüberging, war groß und schien sich mit müden Schritten zu bewegen. Wieder fühlte er die Versuchung, sich zu erkennen zu geben, wie ein nächtliches Tier vorbeizuhuschen und dann zu verschwinden, erneut vom Dunkel verschluckt zu sein.
    Plötzlich blieb der Mann stehen. Er ließ den Strahl seiner Taschenlampe über die Büsche seitlich des Pfads wandern. Für einen Augenblick, der sich zu einem unendlichen Raum von Schrecken auswuchs, dachte der Mann in seinem Versteck, er sei eingefangen. |234| Er konnte nicht entkommen. Dann wanderte der Lichtkegel weiter. Der Mann auf dem Pfad ging weiter. Noch einmal blieb er stehen und leuchtete hinter sich. Plötzlich machte er die Lampe aus und stand regungslos in der Dunkelheit. Kurz darauf knipste er die Lampe wieder an und verschwand.
    Der Mann hinter den Büschen blieb lange liegen. Sein Herz hämmerte. Was hatte den Mann dort auf dem Pfad veranlaßt stehenzubleiben? Er konnte nichts gehört haben, und es gab auch keine anderen Spuren.
    Wie lange er liegenblieb, wußte er nicht. Nur selten ließ ihn seine innere Uhr einmal im Stich. Vielleicht war es eine Stunde, vielleicht mehr. Schließlich stand er auf, überquerte den Pfad und verschwand hinunter zum Strand und zum Meer.
    Die Morgendämmerung setzte ein.
    ***
    Wallander sah den Lichtschein schon von weitem. Die Scheinwerfer leuchteten zwischen den Bäumen. Er konnte bereits Nybergs müde und gereizte Stimme hören. Ein Polizist stand auf dem Pfad und rauchte.
    Wallander hielt noch einen Augenblick inne und lauschte. Er wußte nicht, woher das Gefühl kam. Vielleicht war es durch die Gedanken im Auto ausgelöst worden. An den Täter dort draußen im Dunkeln, den Schatten, den er nicht sehen konnte. Plötzlich hatte er geglaubt, etwas zu hören. Er war stehengeblieben und hatte rasende Angst verspürt. Noch einmal war er

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