Wallander 07 - Mittsommermord
sollen, um anzufangen zu graben.«
»Sie sind schon dabei«, sagte sie. »Deshalb habe ich dich geweckt. Hansson ist auf dem Weg hierher.«
Sie hasteten den Pfad entlang.
»Ich hasse das«, sagte Wallander. »In einem Auto zu schlafen. Und dann aufzustehen, ungewaschen und eklig. Für so etwas bin ich zu alt. Wie soll man einen vernünftigen Gedanken fassen, wenn man nicht einmal eine Tasse Kaffee getrunken hat?«
»Es ist Kaffee da«, sagte sie. »Wenn die Polizei nicht damit aufwartet, habe ich meine eigene Thermoskanne. Du kannst sogar ein Brot haben, wenn du möchtest.«
Wallander forcierte das Tempo. Dennoch schien sie ständig schneller zu gehen als er. Er spürte, wie ihn das irritierte. Sie kamen an der Stelle vorbei, an der er vor ein paar Stunden das Gefühl hatte, jemand befinde sich dort draußen im Dunkel. Er blieb stehen und schaute sich um. Plötzlich wurde ihm klar, daß es kaum eine bessere Stelle gab als diese, wenn man kontrollieren wollte, wer auf dem Pfad vorüberging. Sie sah ihn fragend an. Wallander verspürte im Augenblick keine Lust, ihr seine Empfindung zu erklären. Aber sein Beschluß stand fest.
|240| »Tu mir einen Gefallen«, sagte er. »Sorge dafür, daß Edmundsson und sein Hund diese Stelle abgehen. Zwanzig Meter tief auf beiden Seiten des Pfads.«
»Warum das?«
»Ich halte es für wichtig. Im Moment muß das als Begründung ausreichen.«
»Aber was soll der Hund suchen?«
»Ich weiß nicht. Etwas, was nicht dahin gehört.«
Sie fragte nicht weiter. Er bereute bereits, ihr keine bessere Erklärung gegeben zu haben. Aber jetzt war es zu spät. Sie gingen weiter. Sie reichte ihm eine Zeitung. Auf der ersten Seite war die Fotografie der Frau, die vielleicht Louise hieß. Ohne stehenzubleiben, las er die Überschrift.
»Wer kümmert sich darum?«
»Martinsson wollte es organisieren und die Hinweise sichten, die eingehen.«
»Es ist wichtig, daß es ordentlich gemacht wird.«
»Martinsson ist doch gewissenhaft.«
»Nicht immer.«
Er hörte selbst, wie gereizt und abweisend er klang. Es gab keinen Grund, seine Unausgeschlafenheit an ihr abzureagieren. Aber es war niemand sonst in der Nähe. Ich muß mich entschuldigen, dachte er resigniert. Wenn dies alles vorbei ist.
Im gleichen Augenblick entdeckte er einen Jogger, der ihnen entgegenkam. Er reagierte unmittelbar.
»Haben sie denn nicht abgesperrt? Hier hat doch außer der Polizei kein Mensch was zu suchen.«
Er stellte sich mitten auf den Pfad. Der Jogger war ein Mann in den Dreißigern. Er trug Kopfhörer. Er versuchte, an Wallander vorbeizulaufen, der schnell eine Faust ausstreckte und ihn stoppte. Dann ging alles sehr schnell. Der Jogger meinte, überfallen zu werden, wandte sich um und versetzte Wallander einen Fausthieb. Der Schlag war hart und kam völlig unerwartet. Wallander sackte auf dem Pfad zusammen. Als er wieder zu sich kam, waren nur ein paar Sekunden vergangen. Ann-Britt Höglund hatte den Jogger zu Boden geschlagen und drehte ihm gerade die Arme auf den Rücken. Die Kopfhörer, die noch immer mit dem Walkman |241| verbunden waren, lagen neben Wallander auf dem Pfad. Zu seiner Verblüffung nahm er wahr, daß der Jogger Opernmusik gehört hatte. Im gleichen Augenblick kamen ein paar Polizisten herbeigelaufen, die Ann-Britt Höglund gerufen hatte. Sie legten dem Mann Handschellen an. Wallander war inzwischen wieder auf die Beine gekommen. Sein Kiefer schmerzte, und er hatte sich auf die Zunge gebissen. Aber Zähne waren nicht in Mitleidenschaft gezogen. Er betrachtete den Mann, der ihn niedergeschlagen hatte.
»Das Reservat ist abgesperrt. Das dürfte Ihnen wohl nicht entgangen sein?«
»Abgesperrt?« Die Verblüffung des Mannes wirkte echt.
»Nehmt seine Personalien auf«, sagte Wallander. »Und sorgt dafür, daß die Absperrung von jetzt an wirklich funktioniert. Und dann laßt ihn laufen.«
»Ich werde Anzeige erstatten«, sagte der Jogger aufgebracht.
Wallander hatte sich abgewandt und befühlte mit einem Finger die wunde Stelle im Mund. Er drehte sich langsam um.
»Wie heißen Sie?«
»Hagroth.«
»Und mit Vornamen?«
»Nils.«
»Und weswegen wollen Sie Anzeige erstatten?«
»Wegen eines polizeilichen Übergriffs. Ich jogge hier und störe keinen Menschen. Und werde niedergeschlagen.«
»Falsch«, sagte Wallander. »Niedergeschlagen worden bin ich. Nicht Sie. Ich bin Polizeibeamter und habe versucht, Sie anzuhalten, weil Sie sich auf einem abgesperrten Gelände befanden.«
Der Jogger
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