Wallander 08 - Die Brandmauer
Aber als er merkte, daß er sentimental wurde, stand er auf, duschte und ging hinunter in die Küche, um zu frühstücken.
Er hatte vor, den Rest des Vormittags in seinem Wohnzimmer zu verbringen. Er hörte ein Streichquartett von Beethoven, bis er Celinas Geklapper aus der Küche nicht mehr ertrug. Also fuhr er zum Strand und machte einen Spaziergang. An seiner Seite oder unmittelbar hinter ihm ging sein Fahrer Alfredo, der auch sein Leibwächter war. Jedesmal, wenn Carter durch Luanda fuhr und den Verfall, die Müllhalden, die Armut, das Elend sah, fand er sich darin bestärkt, daß er das Richtige tat. Falk hatte ihn fast bis ans Ziel begleitet. Aber jetzt mußte er den Rest allein schaffen.
Er ging am Meer entlang und schaute auf die zerbröckelnde Stadt. Was auch entstehen würde aus der Asche dessen, was er bald in Brand setzen wollte, es konnte kaum etwas anderes sein als eine Veränderung zum Besseren.
Kurz vor elf war er wieder zurück in seiner Villa. Celina war nach Hause gegangen. Er trank eine Tasse Kaffee und ein Glas Wasser. Dann ging er in sein Arbeitszimmer im Obergeschoß. Die Aussicht auf das Meer war hinreißend. Aber er zog die Gardinen vor. Am wohlsten fühlte er sich in der afrikanischen Dämmerung. Oder wenn die weichen Gardinen das Sonnenlicht von seinen empfindlichen Augen fernhielten. Er schaltete seinen Computer an und begann fast mechanisch mit den Routineeingaben.
Irgendwo in der elektronischen Welt tickte eine unsichtbare Uhr. Die hatte Falk ihm nach seinen Instruktionen konstruiert. Heute war Sonntag, der 12. Oktober, nur noch acht Tage, dann war es soweit.
|277| Um Viertel nach elf hatte er die Kontrollen durchgeführt.
Er wollte gerade den Rechner abschalten, als er erstarrte. Ein kleines Licht hatte plötzlich in einer Ecke des Bildschirms zu blinken begonnen. Der Impuls war regelmäßig, zweimal kurz, einmal lang, zweimal kurz. Er griff zum Handbuch, das Falk ausgearbeitet hatte, und suchte, bis er den richtigen Code gefunden hatte.
Zuerst glaubte er, nicht richtig gesehen zu haben. Aber es war kein Irrtum. Jemand hatte sich durch den äußeren Ring von Sicherheitscodes in Falks Rechner in Schweden hindurchgearbeitet. In der kleinen Stadt Ystad, von der Carter nur Fotos gesehen hatte.
Er starrte auf den Bildschirm und traute seinen Augen nicht. Falk hatte garantiert, daß niemand seine Sicherheitssysteme durchbrechen könnte.
Dennoch war es offenbar jemandem gelungen.
Carter brach der Schweiß aus. Er zwang sich, ruhig zu bleiben. Falk hatte eine Unzahl von Sicherheitsfunktionen aktiviert. Der innerste Kern in Falks System, die unsichtbaren und mikroskopisch kleinen Datenraketen, waren hinter Befestigungen und Firewalls verborgen, die niemand überwinden konnte.
Dennoch versuchte es jemand.
Carter überdachte die Situation. Nach Falks Tod hatte er sofort eine Person nach Ystad geschickt, die die Situation beobachten und ihm berichten sollte. Es waren mehrere unglückliche Störmomente aufgetreten. Aber Carter hatte bisher geglaubt, alles sei unter Kontrolle. Weil er so rasch und ohne zu zögern reagiert hatte.
Er entschied sich dafür anzunehmen, daß weiterhin alles unter Kontrolle war. Aber trotzdem gab es jemanden, der in Falks Rechner eingedrungen war, auf jeden Fall jemanden, der es versucht hatte. Das war nicht zu leugnen. Es war eine Störung, die eine sofortige Gegenmaßnahme notwendig machte.
Carter dachte intensiv nach. Wer konnte das sein? Es fiel ihm schwer, sich vorzustellen, daß es einer der Polizeibeamten war, die seinen Informationen zufolge Falks Tod und einen Teil der übrigen Ereignisse eher beiläufig untersuchten.
Aber wenn nicht sie es waren, wer dann?
Er fand keine Antwort. Obwohl er am Rechner saß, bis die |278| Dämmerung sich auf Luanda herabgesenkt hatte. Als er schließlich aufstand, war er immer noch ruhig.
Aber etwas war geschehen, und er mußte herausfinden, was, um so schnell wie möglich eine geeignete Maßnahme zu ergreifen.
Kurz vor Mitternacht kehrte er an seinen Computer zurück.
Falk fehlte ihm mehr denn je.
Dann setzte er seinen Ruf in den Cyberspace ab.
Nach ungefähr einer Minute erhielt er Antwort.
*
Wallander hatte sich neben Martinsson gestellt. Am Computer saß Robert Modin. Der Bildschirm war voller Zahlen, die in rasendem Tempo und in wechselnden Kolumnen vorbeirauschten. Dann wurde es vollkommen still. Ein paar einsame Einsen und Nullen leuchteten auf. Dann wurde es schwarz. Robert Modin blickte Martinsson
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