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Wallander 08 - Die Brandmauer

Wallander 08 - Die Brandmauer

Titel: Wallander 08 - Die Brandmauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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die Würde gewundert, die trotz der bedrückenden Zustände so stark und lebendig waren.
    Er hatte zwei Jahre gebraucht, um einzusehen, daß das, was die Bank tat, vollkommen falsch war. Statt das Land in seiner Selbständigkeit zu stärken und den Wiederaufbau des vom Krieg verwüsteten Landes zu erleichtern, trug die Bank eigentlich nur dazu bei, die Reichen noch weiter zu mästen. Seine Machtposition brachte es mit sich, daß ihm ständig kriecherische und ängstliche Menschen begegneten. Hinter radikalen Phrasen entdeckte er Korruption, Feigheit und schlecht maskierte Eigeninteressen. Es gab auch andere – unabhängige Intellektuelle, den einen oder anderen Minister   –, die das gleiche sahen wie er. Doch sie waren zahlenmäßig immer unterlegen. Niemand außer ihm hörte ihnen zu.
    Schließlich hielt er es nicht mehr aus. Er hatte versucht, seinen Vorgesetzten klarzumachen, daß die Strategien der Bank von Grund auf verfehlt waren. Aber er fand kein Gehör, obwohl er ein übers andere Mal über den Atlantik reiste, um die Zentrale zu beeinflussen. Er schrieb eine Unmenge ernsthafter Promemorien. Aber die Reaktion war nie etwas anderes als wohlwollende Gleichgültigkeit. Bei einem dieser Treffen beschlich ihn zum erstenmal das Gefühl, daß man angefangen hatte, ihn als lästig zu betrachten. Jemand, der sich anschickte, aus dem Rahmen zu fallen. Er unterhielt sich eines Abends mit seinem ältesten Mentor, einem Analysten namens Whitfield, der ihn in seinen Jahren an der Universität begleitet und seine Anstellung befürwortet hatte. Sie trafen sich in einem kleinen Restaurant in Georgestown, und Carter hatte ihn unverblümt gefragt: War er im Begriff, sich unmöglich zu machen? Gab es wirklich keinen, der einsah, daß er recht und die Bank unrecht hatte? Whitfield hatte gesagt, die Frage sei falsch gestellt; und so verhielt es sich auch. Ob Carter recht hatte oder |271| nicht, spielte eine untergeordnete Rolle. Die Bank hatte sich für eine Politik entschieden. Die sollte verfolgt werden, richtig oder nicht.
    In der Nacht darauf flog Carter zurück nach Luanda. Unterwegs in dem bequemen Erster-Klasse-Sessel begann ein dramatischer Entschluß in seinem Hirn Form anzunehmen.
    Es kostete ihn noch viele schlaflose Nächte, bis er darauf kam, was er eigentlich wollte.
    Damals begegnete er auch dem Mann, der ihn davon überzeugen sollte, daß er recht hatte.
    Hinterher hatte Carter gedacht, daß das Wichtige im Leben eines Menschen stets eine seltsame Kombination von bewußten Entscheidungen und Zufällen war. Die Frauen, die er geliebt hatte, waren auf die eigentümlichsten Weisen in sein Leben getreten. Und genauso hatten sie es auch wieder verlassen.
    Es war an einem Abend im März Mitte der siebziger Jahre gewesen. Er befand sich tief in seiner schlaflosen Periode, und er suchte einen Ausweg aus dem Dilemma. Er fühlte sich rastlos und beschloß, eins der Restaurants an der Hafenpromenade von Luanda zu besuchen. Es hieß »Metropol«. Er ging gern dorthin, weil das Risiko, einem anderen Angestellten der Bank zu begegnen, gering war. Oder überhaupt Menschen, die der Elite des Landes angehörten. Im »Metropol« hatte er stets seine Ruhe. Am Nebentisch hatte ein Mann gesessen, der sehr schlecht Portugiesisch sprach. Weil der Kellner kein Englisch konnte, hatte Carter gedolmetscht.
    Danach hatten sie sich unterhalten. Es zeigte sich, daß der Mann Schwede war und sich in Luanda aufhielt, um einen Auftrag als Berater im staatlichen Telekommunikationssektor, der sehr vernachlässigt war, auszuführen. Was ihn an dem Mann eigentlich interessiert hatte, konnte Carter sich nie ganz erklären. Normalerweise war er ein Mensch, der Distanz zu seinen Mitmenschen hielt. Aber irgend etwas an diesem Schweden hatte ihn sofort gefesselt. Carter war ein mißtrauischer Mensch. Wenn er Menschen begegnete, ging er davon aus, daß es Feinde waren.
    Sie hatten noch nicht viele Worte gewechselt, als Carter erkannte, daß der Mann am Nebentisch, der sich im Laufe des Abends zu ihm an den Tisch setzte, sehr intelligent war. Er war |272| kein Techniker mit beschränktem Horizont, sondern erwies sich als belesen und gut vertraut mit der Kolonialgeschichte Angolas wie auch mit der gegenwärtig herrschenden heiklen politischen Situation.
    Der Mann hieß Tynnes Falk. Er hatte seinen Namen genannt, als sie sich in der Nacht verabschiedeten. Sie waren die letzten Gäste. Ein einsamer Kellner hatte halb schlafend an der Theke gesessen. Vor

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