Wallander 08 - Die Brandmauer
weil er an einer Aktion gegen eine Nerzfarm beteiligt war.«
Jetzt fiel es Martinsson wieder ein.
»Ich frage mich, ob nicht Jonas Landahl eine von den Personen war, die damals in der Dunkelheit verschwanden und die die Polizei nicht erwischte.«
Martinsson war immer noch verwirrt. »Geht es bei dem Ganzen hier um Nerze?«
»Nein«, sagte Wallander. »Bestimmt nicht. Aber ich glaube, wir tun gut daran, Jonas Landahl so schnell wie irgend möglich herzuschaffen.«
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Früh im Morgengrauen am Dienstag, dem 14. Oktober, hatte Carter in Luanda eine wichtige Entscheidung zu treffen. Er schlug im Dunkeln die Augen auf und lauschte dem pfeifenden Geräusch der Klimaanlage. Sein Gehör sagte ihm, daß es wieder einmal Zeit war, den Ventilator im Inneren der Anlage zu reinigen. Ein schwacher Mißton mischte sich in das Rauschen der Kaltluft, die ins Schlafzimmer geblasen wurde. Er war aufgestanden, hatte seine Pantoffeln ausgeschüttelt, falls sich ein Insekt darin versteckt hätte, seinen Morgenrock angezogen und war hinuntergegangen in die Küche. Durch das vergitterte Fenster sah er einen der Nachtwächter, wahrscheinlich war es José, tief in sich zusammengesunken auf dem alten kaputten Klappstuhl schlafen. Aber Roberto stand reglos am Tor und spähte in die Nacht hinaus, wie erstarrt in unbekannten Gedanken. Bald würde er einen der großen Besen nehmen und anfangen, vor dem Haus zu fegen. Es war ein Geräusch, das Carter stets ein Gefühl von Sicherheit gab. Es hatte etwas Zeitloses und Beruhigendes, wenn jemand Tag für Tag die gleiche Tätigkeit wiederholte. Roberto und sein Besen waren ein Sinnbild des Lebens, wenn es nichts zu wünschen übrigließ. Ohne Überraschungen und Anstrengungen. Nur eine Anzahl wiederkehrender, rhythmischer Bewegungen, wenn der Besen Sand und Steine und heruntergefallene Zweige wegfegte. Carter holte sich eine Flasche abgekochtes Wasser, die während der Nacht im Kühlschrank gestanden hatte. Er trank zwei große Gläser in langsamen Schlucken. Dann ging er wieder die Treppe hinauf und setzte sich an seinen Rechner. Der war ständig eingeschaltet und an eine kräftige Reservebatterie angeschlossen. Er verfügte außerdem über einen Stabilisator, der die ständigen Schwankungen der Stromspannung ausglich.
Carter sah sofort, daß eine E-Mail von Fu Cheng gekommen war. Er lud Sie herunter und las sie aufmerksam.
|339| Was Cheng geschrieben hatte, klang nicht gut. Ganz und gar nicht gut. Cheng hatte alles ausgeführt, was Carter ihm aufgetragen hatte. Aber offenbar verhielt es sich so, daß die Kriminalbeamten noch immer versuchten, in Falks Rechner einzudringen. Carter hatte wenig Sorge, daß es ihnen wirklich gelingen könnte, die Programme zu öffnen. Und wenn es ihnen gegen alle Wahrscheinlichkeit doch gelingen sollte, würden sie trotzdem nicht verstehen, was sie vor sich hatten. Geschweige denn in der Lage sein, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Doch in der Mitteilung, die diese Nacht gekommen war, berichtete Cheng von einer anderen Beobachtung, die ihn beunruhigte. Offenbar hatte die Polizei einen jungen Mann hinzugezogen.
Carter fand junge Männer mit Brille, die vor Rechnern saßen, besorgniserregend. Er hatte bei mehreren Gelegenheiten mit Falk über diese Genies der neuen Zeit gesprochen. Sie konnten in geheime Netzwerke eindringen und die kompliziertesten elektronischen Protokolle lesen und deuten.
Jetzt teilte Cheng ihm mit, er vermute, der junge Mann, der anscheinend Modin hieß, sei ein solches Genie. Cheng betonte in seiner Nachricht, schwedische Hacker seien verschiedentlich in die Verteidigungssysteme ausländischer Nationen eingedrungen.
Dieser Modin konnte also einer dieser Ketzer sein, dachte Carter. Die Ketzer unserer Zeit. Die sich weigerten, die Elektronik und ihre Geheimnisse in Frieden zu lassen. Früher wäre jemand wie Modin auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden.
Carter gefiel die Sache mit dem jungen Hacker ganz und gar nicht, genausowenig wie manches andere, was in der letzten Zeit geschehen war. Falk war zu früh gestorben und hatte ihn mit allen Überlegungen und Entscheidungen allein gelassen. Carter war gezwungen gewesen, um Falk herum aufzuräumen. Viel Zeit zum Überlegen hatte er nicht gehabt. Er hatte keinen einzigen Beschluß gefaßt, ohne diesen zuerst mit dem Logikprogramm zu testen, das er von der Harvard-Universität gestohlen hatte, um eine Beurteilung seiner Maßnahmen zu erhalten. Doch das hatte offenbar nicht ausgereicht. Es
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