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Wallander 08 - Die Brandmauer

Wallander 08 - Die Brandmauer

Titel: Wallander 08 - Die Brandmauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Telefon benutzen«, sagte Wallander.
    »Was ist eigentlich passiert? Warum hat Robert solche Angst?«
    »Das versuchen wir herauszufinden. Aber Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen.«
    Wallander betete im stillen, daß das, was er sagte, sich als wahr erwiese. Er setzte sich ans Telefon im Flur. Bevor er den Hörer abnahm, überlegte er, was er jetzt tun mußte. Das erste, was er entscheiden mußte, war, ob seine Sorge wirklich begründet war. Aber die Mitteilung war real genug, egal, wer sie geschickt hatte. Außerdem war die ganze Ermittlung davon geprägt, daß irgend etwas um jeden Preis verborgen bleiben sollte. Von Menschen, die nicht zögerten zu töten. Wallander entschied sich dafür, die gegen Robert Modin gerichtete Drohung ernst zu nehmen. Er wollte nicht das Risiko einer Fehleinschätzung eingehen. Er hob den Hörer ab und rief im Präsidium an. Diesmal hatte er Glück. Er bekam sofort Ann-Britt an den Apparat und erklärte ihr die Situation. In erster Linie wurden Streifenwagen benötigt, die die Umgebung von Löderup absuchten. Wenn es stimmte, daß Robert Modin nicht richtig Autofahren konnte, war er wahrscheinlich nicht weit gekommen. Außerdem riskierten sie, daß er einen Unfall verursachte und sich selbst und andere gefährdete. Wallander rief Axel Modin und bat ihn um eine Beschreibung des Wagens und das polizeiliche Kennzeichen. Ann-Britt notierte sich alles und versprach, dafür zu sorgen, daß Streifenwagen losgeschickt wurden. Wallander legte auf und ging wieder nach oben. Martinsson hatte noch keine Antwort von Robert Modins Beratern erhalten.
    »Ich muß deinen Wagen leihen«, sagte Wallander.
    »Der Schlüssel steckt«, erwiderte Martinsson, ohne den Blick vom Bildschirm abzuwenden.
    Wallander duckte sich im Regen, als er zum Auto lief. Er hatte beschlossen, einen Blick auf den Weg zu werfen, der sich durch die Äcker schlängelte und der von Robert Modins Fenster aus zu sehen war. Höchstwahrscheinlich würde es nichts bringen. Er fuhr vom Hof und suchte nach der Abzweigung.
    |465| Etwas nagte in Wallanders Bewußtsein. Ein Gedanke, der an die Oberfläche drängte.
    Es war etwas, was er selbst gesagt hatte. Etwas von einer Leitung, die heimlich ans Netz des Polizeipräsidiums angeschlossen worden war. In dem Moment, als er die Abzweigung fand, fiel ihm ein, was es war.
     
    Er war damals zehn Jahre alt geworden. Oder vielleicht auch zwölf. Es war eine gerade Zahl gewesen, daran erinnerte er sich genau. Und acht waren zuwenig. Sein Vater hatte ihm die Bücher geschenkt. Was er von seiner Mutter bekommen hatte, wußte er nicht mehr. Auch nicht, was seine Schwester Kristina ihm geschenkt hatte. Aber die Bücher hatten in grünem Papier verpackt auf dem Frühstückstisch gelegen. Er hatte das Paket sofort geöffnet und gesehen, daß es fast die richtigen waren. Nicht ganz. Aber fast. Und falsch auf keinen Fall. Er hatte sich ›Die Kinder des Kapitäns Grant‹ von Jules Verne gewünscht. Der Titel hatte es ihm angetan. Was er bekommen hatte, war ›Die geheimnisvolle Insel‹ , Teil eins und Teil zwei. Und es waren die richtigen Bücher, mit dem roten Rücken und den Originalillustrationen. Genau wie ›Die Kinder des Kapitäns Grant‹. Er hatte am selben Abend angefangen zu lesen. Und da war dieser wunderbare, mystische Wohltäter gewesen, der den einsamen Männern half, die auf der Insel gestrandet waren. Das Rätsel hatte sich über sie gelegt. Wer war es, der ihnen beistand, wenn die Not am größten war? Plötzlich war das Chinin einfach dagewesen. Als der junge Pencroff mit Malaria auf den Tod lag und keine Macht der Welt ihn hätte retten können. Da war das Chinin dagewesen. Und der Hund Top hatte in den tiefen Brunnen hinabgeknurrt, und sie hatten sich gefragt, was den Hund so unruhig machte. Schließlich, als der Vulkan schon zu beben begonnen hatte, fanden sie den unbekannten Wohltäter. Fanden die geheimnisvolle Leitung, die an den Telegraphendraht gekoppelt war und von der Hürde zur Höhle führte. Sie waren der Leitung gefolgt und hatten sie im Meer verschwinden sehen. Und dort, in seinem Unterwasserboot und in seiner Höhle, hatten sie am Ende Kapitän Nemo gefunden, ihren unbekannten Wohltäter…
     
    |466| Wallander hatte auf dem lehmigen Weg angehalten. Der Regen hatte nachgelassen. Statt dessen wälzte sich Nebel vom Meer heran. Er erinnerte sich an die Bücher. Und an den Wohltäter dort unten in der Tiefe. Diesmal ist es umgekehrt, wenn ich recht habe, dachte er.

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