Wallander 08 - Die Brandmauer
wuchs.
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Es kam Wallander so vor, als stände er vor einer uneinnehmbaren Festung, deren Mauern nicht nur hoch, sondern noch dazu unsichtbar waren. Die elektronischen Mauern, dachte er. Die Brandmauern.
Alle reden über die neue Technik wie über einen unerforschten Raum, in dem die Möglichkeiten dem Anschein nach unendlich sind. Aber im Moment ist sie für mich nur eine Festung, von der ich nicht weiß, wie ich sie bezwingen kann.
Sie hatten das E-Mail -Terminal namens Vesuvius identifiziert. Es lag in Angola. Martinsson hatte darüber hinaus in Erfahrung gebracht, daß es brasilianische Unternehmer waren, die den Server betrieben. Aber wer Falks Partner dort war, wußten sie nicht, auch wenn Wallander gute Gründe für seine Annahme hatte, daß es sich um den Mann handelte, den sie bisher nur mit dem Buchstaben C identifizierten. Martinsson, der mehr über die Verhältnisse in Angola wußte als Wallander, war der Meinung, daß dort nahezu Chaos herrsche. Das Land hatte Mitte der siebziger Jahre seine Selbständigkeit von der portugiesischen Kolonialmacht erlangt. Seitdem wütete ein fast ununterbrochener Bürgerkrieg im Land. Es war zweifelhaft, ob es eine funktionierende Polizei gab. Außerdem hatten sie keine Ahnung, wer der Mann, der sich C nannte, eigentlich war oder wie er hieß. C konnte auch für mehr als eine Person stehen. Dennoch war es für Wallander ein wichtiger Fortschritt, daß die Dinge anfingen zusammenzuhängen, auch wenn er noch keineswegs wußte, wie er die neue Information interpretieren sollte. Was sich damals in Luanda ereignet hatte, als Tynnes Falk vier Jahre lang verschwunden war, wußten sie noch immer nicht. Das einzige, was sie bewirkt hatten, war, daß sie in ein Wespennest gestochen hatten. Jetzt schwärmten die Wespen in alle Richtungen aus. Aber was sich im Wespennest verbarg, wußten sie nicht.
|470| Wallander stand dort bei Modin im Flur und spürte, wie seine Angst mit jeder Sekunde, die verging, größer wurde. Sie mußten Robert Modin um jeden Preis finden, bevor es zu spät war; das war das einzige, was er mit Gewißheit wußte. Wenn es nicht schon zu spät war. Die Erinnerungsbilder an Sonja Hökbergs verbrannten und Jonas Landahls massakrierten Körper waren sehr deutlich. Wallander wollte sofort in den wogenden Nebel hinaus und anfangen zu suchen. Aber alles war vage und unsicher. Robert Modin war dort draußen. Er hatte Angst und war auf der Flucht. So wie Jonas Landahl mit einer Fähre nach Polen geflohen war. Aber auf dem Rückweg war er hängengeblieben. Oder eingeholt worden.
Und jetzt ging es um Robert Modin. Während sie auf Ann-Britt warteten, versuchte Wallander, noch mehr Informationen aus Axel Modin herauszubekommen. Hatte er wirklich keine Ahnung, wohin sein Sohn sich gewandt haben konnte? Es gab Freunde, die versprochen hatten, anzurufen, falls Robert auftauchte. Aber gab es sonst nichts? Kein anderes Versteck? Während Wallander sich damit abmühte, Axel Modin noch irgend etwas abzuringen, was das erlösende Wort sein konnte, war Martinsson zu den Computern im Obergeschoß zurückgekehrt. Wallander hatte ihn aufgefordert, weiter mit den unbekannten Freunden in Rättvik und Kalifornien zu kommunizieren. Vielleicht wußten sie etwas von einem Versteck.
Axel Modin fiel nichts mehr ein. Er blieb bei Sandhammaren und Backåkra. Wallander schaute an ihm vorbei, über seinen Kopf, hinaus in den Nebel, der sehr dicht geworden war. Mit dem Nebel kam auch die eigentümliche Stille, die Wallander nirgendwo anders erlebt hatte als in Schonen. Gerade im Oktober und November. Wenn alles den Atem anzuhalten schien in Erwartung des Winters, der dort draußen lauerte und seine Zeit abwartete.
Wallander hörte den Wagen kommen. Er ging hin und öffnete, genau wie Axel Modin ihm geöffnet hatte. Ann-Britt kam herein. Sie begrüßte Modin, während Wallander Martinsson holte. Dann setzten sie sich an den Küchentisch. Axel Modin bewegte sich im Hintergrund, wo auch seine Frau mit ihren Wattebäuschen in den Nasenlöchern war und mit ihrer heimlichen Angst.
Für Wallander war jetzt alles ganz einfach. Sie mußten Robert |471| Modin finden. Daß die Streifenwagen im Nebel umherjagten, reichte nicht aus. Er ließ Martinsson dafür sorgen, daß eine regionale Suchaktion ausgelöst wurde. Ab sofort sollten alle Polizeibezirke nach dem Wagen suchen.
»Wir wissen nicht, wo er ist«, sagte Wallander. »Aber er ist in Panik geflohen. Wir wissen nicht, ob die Mitteilung
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