Wallander 08 - Die Brandmauer
Jemand legt die ganze Zeit ein unsichtbares Ohr dicht an unsere Wände und belauscht unsere Gespräche. Diesmal ist es kein Wohltäter in der Tiefe. Niemand, der kommt und Chinin bringt, sondern der das, was am dringendsten benötigt wird, fortnimmt.
Er fuhr weiter. Viel zu schnell. Aber es war Martinssons Wagen, und er war immer noch von dem Bedürfnis beherrscht, seine Rache auszukosten. Jetzt ging es über das Auto her. Als er zu der Stelle gekommen war, die er durchs Fernglas gesehen zu haben meinte, hielt er an und stieg aus. Der Regen hatte fast aufgehört. Der Nebel wogte schnell heran. Er schaute sich um. Wenn Martinsson den Kopf höbe, würde er seinen Wagen sehen können. Wenn er das Fernglas höbe, würde er Wallanders Gesicht sehen können. Auf dem Weg waren Wagenspuren. Er glaubte sogar erkennen zu können, daß ein Wagen hier gehalten hatte. Aber die Spuren waren undeutlich. Der Regen hatte sie fast ausgelöscht. Jemand könnte hier gehalten haben, dachte er. Auf eine Art und Weise, die ich nicht richtig begreife, werden Mitteilungen an Robert Modins Rechner geschickt. Und gleichzeitig steht jemand hier auf dem Weg und hält ihn unter Aufsicht.
Wallander bekam Angst. Wenn jemand auf dem Weg gestanden hatte, konnte dieser Jemand auch gesehen haben, daß Robert Modin das Haus verlassen hatte.
Wallander brach der kalte Schweiß aus. Ich bin dafür verantwortlich, dachte er. Ich hätte Robert Modin nie in diese Geschichte hineinziehen dürfen. Es war zu gefährlich und total verantwortungslos.
Er zwang sich dazu, ruhig zu denken. Robert Modin war von Panik ergriffen worden und hatte ein Gewehr mitnehmen wollen. Dann hatte er den Wagen genommen. Die Frage war nur, wohin er gefahren war.
Wallander blickte sich noch einmal um. Dann fuhr er zum Haus zurück. Axel Modin kam mit fragendem Gesichtsausdruck an die Haustür.
|467| »Ich habe Robert nicht gefunden«, sagte Wallander. »Aber wir suchen nach ihm. Es besteht kein Grund zur Besorgnis.«
Modin glaubte ihm nicht. Wallander sah es an seinem Gesichtsausdruck. Aber Modin sagte nichts. Er wandte den Blick ab. Als habe sein Mißtrauen etwas Anstößiges. Aus dem Wohnzimmer kamen keine Geräusche.
»Geht es ihr besser?« fragte Wallander.
»Sie schläft. Das ist immer das Beste für sie. Sie hat Angst vor dem Nebel, wenn er sich heranschleicht.«
Wallander nickte zur Küche hin. Modin folgte seinem Blick. Eine große schwarze Katze lag im Fenster und betrachtete Wallander aus wachsamen Augen. Wallander fragte sich, ob das die Katze war, die Robert gezeichnet hatte. Und deren Schwanz in eine Leitung überging.
»Wohin kann Robert gefahren sein?« fragte Wallander und zeigte hinaus in den Nebel.
Axel Modin schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht.«
»Aber er hat Freunde. Als ich zum erstenmal hierherkam, war er auf einem Fest.«
»Ich habe seine Freunde angerufen. Keiner hat ihn gesehen. Sie haben versprochen, sich zu melden, falls er auftauchen sollte.«
»Denken Sie nach«, sagte Wallander. »Er ist Ihr Sohn. Er hat Angst, und er flieht. Wo kann er sich verstecken?«
Modin überlegte. Die Katze ließ Wallander nicht aus den Augen.
»Er geht gerne an den Strand«, sagte Modin zögernd. »Unten bei Sandhammaren. Oder auf den Feldern oben um Backåkra. Etwas anderes fällt mir nicht ein.«
Wallander war skeptisch. Ein Strand war zu offen, genauso wie die Felder um Backåkra. Aber jetzt war der Nebel gekommen. Ein besseres Versteck als den Nebel gab es in Schonen kaum.
»Denken Sie weiter nach«, sagte Wallander. »Vielleicht fällt Ihnen doch noch etwas ein. Ein Versteck, an das er sich aus seiner Kindheit erinnert.«
Er ging in den Flur ans Telefon und rief Ann-Britt an. Die Streifenwagen waren auf dem Weg nach Österlen. Die Polizei in Simrishamn war informiert und würde helfen. Wallander berichtete von Sandhammaren und Backåkra.
|468| »Ich fahre hinauf nach Backåkra«, sagte er. »Nach Sandhammaren mußt du einen anderen Wagen schicken.«
Ann-Britt versprach zu tun, was er sagte. Sie würde außerdem selbst nach Löderup kommen.
Wallander legte auf. Im gleichen Augenblick kam Martinsson, mehrere Stufen auf einmal nehmend, die Treppe herunter.
Wallander sah sofort, daß er etwas Wichtiges mitzuteilen hatte.
»Ich habe Antwort aus Rättvik bekommen«, sagte er. »Du hattest recht. Der Server ›Vesuvius‹ steht in Luanda, der Hauptstadt von Angola.«
Wallander nickte. Er war nicht überrascht.
Aber er spürte, wie seine Angst
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