Wallander 08 - Die Brandmauer
verloren hatte. Er konnte nicht einmal mehr den Zaun erkennen. Er wollte nur weg. Er hockte sich nieder, das Gewehr im Anschlag. Irgendwo im Nebel war der Mann noch. Wallander versuchte, das Weiß mit seinen Blicken zu durchdringen, und horchte intensiv. Aber es war alles still. Wallander sah ein, daß er es nicht wagen konnte, hierzubleiben. Er mußte fort. Er entschied sich rasch, entsicherte das Gewehr und schoß senkrecht in die Luft. Der Knall war ohrenbetäubend. Dann lief er einige Meter zur Seite. Lauschte wieder. Er hatte jetzt den Zaun wieder entdeckt und wußte, in welche Richtung er ihm folgen mußte, um von dem Parkplatz wegzukommen.
Gleichzeitig hörte er etwas anderes. Ein Geräusch, das nicht mißzuverstehen war. Sirenen, die näher kamen. Jemand hat den ersten Schuß gehört, dachte er. Zahlreiche Polizisten sind hierher unterwegs. Er hastete zur Einfahrt hinunter. Ein Gefühl von Überlegenheit stellte sich nach und nach ein und verwandelte seine Angst in Wut. Zum zweitenmal binnen kurzer Zeit hatte jemand auf ihn geschossen. Gleichzeitig versuchte er klar zu denken. Der Mercedes-Bus stand noch dort im Nebel. Und es gab nur eine Ausfahrt. Wenn der Mann, der geschossen hatte, den Wagen nahm, würden sie ihn stoppen können. Falls er sich zu Fuß entfernte, würde es schwerer werden.
Wallander hatte die Einfahrt erreicht. Er lief an den Straßenrand. Die Sirenen näherten sich. Es waren mindestens zwei Wagen, vielleicht sogar drei. Als er die Autoscheinwerfer sah, blieb er |476| stehen und fuchtelte mit den Armen. Im ersten Wagen saß Hansson. Wallander konnte sich nicht erinnern, jemals so froh darüber gewesen zu sein, ihn zu sehen.
»Was ist los?« rief Hansson. »Wir bekamen eine Meldung, daß hier oben geschossen würde. Ann-Britt sagte, du wolltest hierherfahren.«
Wallander erklärte die Situation so knapp wie möglich.
»Keiner geht ohne Schutzausrüstung da raus«, schloß er. »Wir brauchen außerdem Hunde. Aber zuerst müssen wir uns darauf vorbereiten, daß er versucht auszubrechen.«
In kurzer Zeit waren die Sperren errichtet und die Polizisten mit Schutzwesten und Helmen ausgerüstet. Ann-Britt war gekommen, kurz nach ihr Martinsson.
»Der Nebel wird sich lichten«, sagte Martinsson. »Ich habe mit dem meteorologischen Institut gesprochen. Er ist nur lokal.«
Sie warteten. Es war ein Uhr geworden an diesem Samstag, dem 18. Oktober. Wallander hatte sich Hanssons Handy geliehen und war zur Seite getreten. Er hatte Elvira Lindfeldts Nummer gewählt, es sich aber anders überlegt, bevor sie sich melden konnte.
Sie warteten weiter. Nichts geschah. Ann-Britt verscheuchte ein paar neugierige Journalisten, die den Sirenen gefolgt sein mußten. Keiner wußte etwas von Robert Modin und seinem Auto. Wallander versuchte klar zu denken. War Modin etwas passiert? Oder war er bisher davongekommen? Und dort im Nebel verbarg sich ein bewaffneter Mann. Sie wußten nicht, wer er war und warum er geschossen hatte.
Gegen halb zwei löste sich der Nebel auf. Es ging sehr schnell. Plötzlich stieg er auf, verflüchtigte sich und verschwand danach ganz. Die Sonne kam hervor. Der Mercedes-Bus stand noch da, ebenso Martinssons Wagen. Niemand war zu sehen.
Wallander ging hin und hob sein Handy vom Boden auf. »Er hat sich zu Fuß aus dem Staub gemacht«, sagte er. »Den Wagen hat er zurückgelassen.«
Hansson rief Nyberg an, der versprach, sofort zu kommen. Sie durchsuchten den Wagen. Es gab keinen Hinweis darauf, wer ihn gefahren hatte. Das einzige, was sie fanden, war eine halbleere |477| Dose mit etwas, was nach Fisch aussah. Ein elegantes Etikett besagte, daß die Dose aus Thailand kam und Plakapong Pom Poi enthielt.
»Vielleicht haben wir diesen Fu Cheng gefunden«, meinte Hansson.
»Vielleicht«, erwiderte Wallander. »Aber sicher ist es nicht.«
»Hast du ihn überhaupt nicht gesehen?«
Die Frage kam von Ann-Britt.
Wallander reagierte irritiert. Er fühlte sich angegriffen.
»Nein«, sagte er. »Ich habe niemanden gesehen. Und das hättest du auch nicht getan.«
»Man wird ja wohl noch fragen dürfen«, gab sie zurück.
Wir sind alle müde, dachte Wallander ergeben. Sie. Ich. Von Nyberg ganz zu schweigen. Außer Martinsson vielleicht. Der auf jeden Fall noch Energie genug hat, in den Korridoren herumzuschleichen und zu konspirieren.
Sie begannen, mit zwei Hunden zu suchen, die sofort Witterung aufnahmen. Die Spur führte hinunter zum Strand. Nyberg war inzwischen mit seinen
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