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Wallander 08 - Die Brandmauer

Wallander 08 - Die Brandmauer

Titel: Wallander 08 - Die Brandmauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Holgersson hatte schon erkennen lassen, daß sie offenbar Martinsson mehr vertraute als ihm. Zweimal in zwei Wochen hatte Wallander Gewalt angewendet. Daran gab es nichts zu deuteln. Im ersten Fall während eines Verhörs gegenüber einer Minderjährigen, im zweiten Fall gegenüber einem seiner langjährigen Kollegen. Einem Mann, mit dem er sehr vertraut gewesen war. Er fragte sich, ob er sein Ausrasten bereute. Aber das konnte er nicht. Letztlich ging es um seine Würde. Es war eine notwendige Reaktion auf Martinssons Verrat gewesen. Was Ann-Britt Wallander im Vertrauen erzählt hatte, würde ans Licht gebracht werden müssen.
    Er lag noch lange wach und dachte über die Grenzen seiner Belastbarkeit nach. Und darüber, daß solche Grenzen auch in der gesamten Gesellschaft existierten. Was das für die Zukunft bedeutete, wußte er nicht. Außer daß die Polizeibeamten der Zukunft, die wie El Sayed direkt von der Polizeihochschule kamen, ganz andere Voraussetzungen haben müßten, um die neuen Formen der Kriminalität, die im Kielwasser der Informationstechnik folgten, bekämpfen zu können. Auch wenn ich noch nicht alt bin, bin ich ein alter Hund, dachte er. Und alten Hunden bringt man nur mit größter Mühe neue Kunststücke bei.
    Zweimal stand er auf. Das erstemal, um Wasser zu trinken, das zweitemal, um zu pinkeln. Beide Male blieb er am Küchenfenster stehen und blickte auf die leere Straße hinaus.
    Als er endlich einschlief, war es nach vier.
    Sonntag, der 19.   Oktober.
    *
    |514| Carter landete mit dem TA P-Flug 553 pünktlich um sechs Uhr dreißig in Lissabon. Die Maschine nach Kopenhagen sollte um acht Uhr fünfzehn starten. Wie immer hatte die Ankunft in Europa für Carter etwas Beunruhigendes. In Afrika fühlte er sich sicher. Hier befand er sich auf fremdem Territorium.
    Vor seiner Einreise nach Portugal hatte er unter seinen Pässen und Identitäten gewählt. Er ging als Lukas Habermann, deutscher Staatsbürger, geboren 1939 in Kassel, durch die Kontrolle und merkte sich das Gesicht des Beamten. Von dort ging er auf direktem Weg zur Toilette, zerschnitt den Paß und spülte die Schnipsel sorgfältig fort. Aus seinem Handgepäck zog er anschließend einen britischen Paß, auf dem sein Name als Richard Stanton, geboren 1940 in Oxford, angegeben wurde. Dann zog er eine andere Jacke an und kämmte sich die Haare naß. Nachdem er eingecheckt hatte, ging er zur Paßkontrolle und wählte einen Schalter, der so weit wie möglich von dem entfernt lag, an dem er eine halbe Stunde zuvor seinen deutschen Paß gezeigt hatte. Es gab keinerlei Probleme. Er suchte nach einem abgelegenen Platz in der Abflughalle, in der Umbauarbeiten durchgeführt wurden. Da Sonntag war, ruhten die Arbeiten. Als er sich vergewissert hatte, daß er allein war, holte er sein Handy hervor.
    Sie meldete sich fast sofort. Er sprach nicht gern am Telefon. Deshalb stellte er nur kurze und präzise Fragen und erwartete entsprechende Antworten.
    Wo Cheng sich befand, wußte sie nicht. Er hätte sich am Abend zuvor melden sollen. Aber es war kein Anruf gekommen.
    Dann lauschte Carter ungläubig der Neuigkeit, die sie ihm mitteilte. Er konnte sie kaum glauben. Ein derartiges Glück gab es einfach nicht.
    Am Ende war er jedoch überzeugt. Robert Modin war direkt in die Falle gegangen, oder gefahren worden.
    Als Carter das Gespräch beendet hatte, blieb er stehen. Daß Cheng sich nicht gemeldet hatte, verhieß nichts Gutes. Etwas war passiert. Anderseits würde es jetzt keine Schwierigkeiten mehr bereiten, den Mann namens Modin unschädlich zu machen, der inzwischen ihr größtes Problem zu sein schien.
    Carter steckte das Telefon in die Tasche und maß seinen Puls.
    |515| Er war schneller als normal. Geringfügig.
    Er ging zu der Lounge, in die sich Passagiere der Business Class zurückziehen konnten.
    Dort aß er einen Apfel und trank eine Tasse Tee.
    Die Maschine nach Kopenhagen hob mit fünfminütiger Verspätung um acht Uhr zwanzig ab.
    Carter saß auf dem Platz 3D.   Am Mittelgang. Er haßte es, eingeklemmt am Fenster zu sitzen.
    Er sagte der Stewardeß, er wünsche kein Frühstück.
    Dann schloß er die Augen und war kurz darauf eingeschlafen.

|516| 38
    Wallander und Martinsson begegneten sich um acht Uhr am Sonntag morgen. Wie auf Verabredung trafen sie gleichzeitig im Präsidium ein. Sie stießen im Flur vor dem Eßraum aufeinander. Weil sie auf dem sonntäglich leeren Korridor aus entgegengesetzten Richtungen kamen, hatte Wallander das

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