Wallander 08 - Die Brandmauer
hättest Martinsson nicht daran hindern dürfen, mit dir zu kommen. Es ist eine Grundregel, daß man nicht allein eingreift. Das solltest du doch wissen.«
|511| Wallander hatte auf einmal das Interesse an dem Lehm, der an seinen Kleidern klebte, verloren.
»Wer hat gesagt, daß ich jemanden gehindert habe?«
»Das ist sehr deutlich geworden.«
Wallander wußte, daß es nur eine Erklärung gab. Martinsson selbst mußte es behauptet haben. Elofsson und El Sayed waren viel zu weit entfernt gewesen.
»Vielleicht können wir das morgen besprechen«, sagte er ausweichend.
»Ich bin gezwungen, dich darauf hinzuweisen. Sonst mache ich mich eines Dienstvergehens schuldig. Deine Situation ist ja im Moment ohnedies kompliziert genug.«
Sie verließ ihn und verschwand mit ihrer Taschenlampe in Richtung Straße. In Wallander kochte die Wut hoch. Martinsson hatte also gelogen. Und behauptet, Wallander habe ihn daran gehindert, mit ihm auf den Acker hinauszugehen. Und Wallander hatte da draußen im Schlamm gelegen und seinem Tod ins Auge geblickt.
Im gleichen Augenblick sah er, daß Martinsson und Hansson auf dem Weg zu ihm waren. Die Lichtkegel der Taschenlampen tanzten. Im Hintergrund startete Lisa Holgersson ihren Wagen und fuhr davon.
Martinsson und Hansson blieben stehen.
»Kannst du mal Martinssons Taschenlampe halten?« sagte Wallander und sah Hansson an.
»Wieso?«
»Sei so nett und tu es einfach.«
Martinsson reichte Hansson die Lampe. Wallander machte einen Schritt auf Martinsson zu und holte zu einem Schlag gegen sein Gesicht aus. Doch es war nicht einfach, im flackernden Licht der Taschenlampen den Abstand genau einzuschätzen, und so streifte der Schlag Martinssons Gesicht nur.
»Sag mal, spinnst du, verflucht noch mal?«
»Sag mal, spinnst
du
, verflucht noch mal?« schrie Wallander und stürzte sich auf Martinsson. Sie wälzten sich im Lehm. Hansson wollte dazwischengehen, rutschte aber aus und fiel hin. Eine der Taschenlampen erlosch, die andere landete im Matsch.
|512| Wallanders Wut war ebenso schnell verflogen, wie sie gekommen war. Er griff nach der Taschenlampe und leuchtete Martinsson an, der aus dem Mund blutete.
»Du hast zu Lisa gesagt, ich hätte dich gehindert, mit mir zu kommen! Du behauptest Dinge über mich, die nicht wahr sind.«
Martinsson blieb im Schlamm sitzen. Hansson war wieder hochgekommen. Irgendwo bellte ein Hund.
»Du agierst hinter meinem Rücken«, fuhr Wallander fort und merkte, daß seine Stimme jetzt vollkommen ruhig war.
»Ich weiß nicht, wovon du redest.«
»Du agierst hinter meinem Rücken. Du findest, daß ich ein schlechter Polizist bin. Du schleichst dich zu Lisa rein, wenn du glaubst, daß dich niemand sieht.«
Hansson mischte sich ein. »Sagt mal, was macht ihr da eigentlich?«
»Wir diskutieren darüber, wie man am besten zusammenarbeitet«, sagte Wallander. »Ob man dazu versuchen sollte, einigermaßen aufrichtig miteinander zu sein. Oder ob es die geeignetere Methode ist, sich gegenseitig zu hintergehen.«
»Ich begreife immer noch nichts«, meinte Hansson.
Wallander verlor die Nerven. Es hatte keinen Sinn, die Sache unnötig in die Länge zu ziehen. »Das wollte ich nur mal gesagt haben«, knurrte er und schmiß Martinsson die Taschenlampe vor die Füße.
Dann ging er zur Straße und bat eine Streife, ihn nach Hause zu fahren. Er nahm ein Bad und setzte sich anschließend in die Küche. Es war fast drei Uhr. Er versuchte zu denken, aber sein Kopf war leer. Er ging ins Bett, konnte aber nicht einschlafen. In Gedanken kehrte er zu dem Acker zurück. Zu seiner Angst, als er, das Gesicht in den Matsch gedrückt, dort gelegen hatte. Zu dem seltsamen Gefühl von Scham darüber, daß er ohne Schuhe an den Füßen gestorben wäre. Und dann zu der Abrechnung mit Martinsson.
Ich bin an die Grenze meiner Belastbarkeit gekommen, dachte er. Vielleicht nicht nur in meinem Verhältnis zu Martinsson. Sondern in allem, was ich tue.
Häufig hatte er sich ausgelaugt und überarbeitet gefühlt. Aber |513| noch nie so sehr wie jetzt. Er versuchte, an Elvira Lindfeldt zu denken, um Mut zu schöpfen. Bestimmt schlief sie. Und in einem Zimmer in ihrer Nähe lag Robert Modin. Der jetzt keine Angst mehr davor zu haben brauchte, daß in seinem Blickfeld Männer mit Ferngläsern auftauchten.
Wallander fragte sich, welche Konsequenzen sein Angriff auf Martinsson nach sich ziehen würde. Aussage würde gegen Aussage stehen, wie im Fall mit Eva Persson und ihrer Mutter. Lisa
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