Wallander 08 - Die Brandmauer
Transformatorhaus zu beenden.
»Hast du etwas gefunden?«
»Nein.«
»Was war Anderssons Meinung?«
»Worüber? Über meine Arbeitsweise etwa?«
Wallander zählte stumm bis zehn. Nyberg war denkbar schlechter Laune. Wenn er gereizt war, konnte es unmöglich werden, mit ihm zu sprechen.
»Er kann auch nicht sagen, was passiert ist«, sagte Nyberg nach einer Weile. »Der Körper hat den Stromausfall verursacht. Aber ob es ein toter Körper war, der hier zwischen die Leitungen geworfen wurde, oder ein lebender, das können nur die Gerichtsmediziner beantworten. Wenn überhaupt.«
Wallander nickte. Er schaute zur Uhr. Halb vier. Es hatte keinen Sinn, noch zu bleiben. »Ich fahre jetzt. Aber um acht setzen wir uns zusammen.«
Nyberg grummelte etwas Unverständliches. Wallander deutete es so, daß er kommen würde.
Dann wandte er sich wieder dem Wagen zu, in dem Martinsson saß und Notizen machte. »Fahren wir«, sagte er. »Du kannst mich bei mir zu Hause absetzen.«
»Was ist mit deinem Wagen?«
»Er gibt keinen Mucks von sich.«
Schweigend kehrten sie nach Ystad zurück. Als Wallander in seine Wohnung gekommen war, ließ er ein Bad einlaufen. Während sich die Wanne füllte, nahm er seine letzten Schmerztabletten und schrieb auf die wachsende Einkaufsliste auf dem Küchentisch, daß er neue kaufen mußte. Er fragte sich ergeben, wann er wohl Zeit haben würde, in die Apotheke zu gehen.
Im warmen Wasser taute er langsam wieder auf. Für einige Minuten duselte er ein. Sein Kopf war leer. Doch dann kehrten die Bilder zurück. Von Sonja Hökberg. Und Eva Persson. In Gedanken |94| wanderte er von einem Ereignis zum nächsten. Er ging behutsam vor, um nichts zu vergessen. Nichts hing zusammen. Warum war Johan Lundberg getötet worden? Was hatte Sonja Hökberg zu der Tat getrieben? Und warum hatte Eva Persson mitgemacht? Er war sicher, daß das Tatmotiv nicht nur akuter Geldmangel war. Das Geld sollte zu etwas benutzt werden. Wenn nicht etwas ganz anderes dahintersteckte.
In Sonja Hökbergs Handtasche, die sie bei der Transformatorstation gefunden hatten, waren nicht mehr als dreißig Kronen gewesen. Das Geld aus dem Raub war von der Polizei beschlagnahmt worden.
Sie ist geflohen, dachte er. Plötzlich tut sich ihr eine Möglichkeit auf, wegzulaufen. Das ist um zehn Uhr am Vormittag. Nichts kann vorbereitet gewesen sein. Sie verläßt das Präsidium und ist von da an dreizehn Stunden lang verschwunden. Ihr Körper wird acht Kilometer von Ystad entfernt gefunden.
Wie kam sie dorthin? Sie kann per Anhalter gefahren sein, aber sie kann auch mit jemandem Kontakt aufgenommen haben, den sie kannte. Was passiert dann? Bittet sie darum, an einen Ort gefahren zu werden, an dem sie vorhat, Selbstmord zu begehen? Oder wird sie ermordet? Wer hat die Schlüssel zur inneren Tür, aber nicht zum äußeren Tor?
Wallander stieg aus der Badewanne. Es gibt zwei Warums, dachte er. Zwei Fragen, die jetzt entscheidend sind und die in verschiedene Richtungen zeigen. Wenn sie sich entschlossen hat, Selbstmord zu begehen, warum wählt sie ausgerechnet eine Transformatorstation? Und wie kommt sie an die Schlüssel? Und wenn sie getötet worden ist: warum?
Wallander kroch ins Bett. Es war halb fünf. In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Aber er war zu müde, um noch klar denken zu können. Er mußte schlafen. Bevor er das Licht löschte, stellte er den Wecker. Er schob ihn so weit vom Bett fort, daß er gezwungen sein würde, aufzustehen, um ihn auszumachen.
Als er erwachte, hatte er das Gefühl, nur wenige Minuten geschlafen zu haben. Er versuchte zu schlucken. Sein Hals schmerzte immer noch, aber weniger als am Tag zuvor. Er befühlte seine Stirn. Das Fieber war fort. Aber seine Nase dicht. Er ging ins Badezimmer |95| und schneuzte sich, wobei er es vermied, in den Spiegel zu sehen. Die Müdigkeit war wie ein körperlicher Schmerz. Während das Kaffeewasser kochte, blickte er aus dem Fenster. Es war noch immer windig, aber die Regenwolken waren verschwunden. Fünf Grad über Null. Er fragte sich, wann er wohl Zeit haben würde, sich um sein Auto zu kümmern.
Um kurz nach acht waren sie in einem der Sitzungszimmer im Präsidium versammelt. Wallander betrachtete die müden Gesichter von Martinsson und Hansson und fragte sich, wie er wohl selber aussah. Lisa Holgersson, die auch nicht viele Stunden geschlafen hatte, wirkte dagegen unberührt.
Sie war es auch, die die Sitzung eröffnete. »Wir müssen uns darüber im
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